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Magazin
für das Neueste
aus der
Physik
und
Naturgeschichte
,
zuerst herausgegeben
von dem Legationsrath Lichtenberg,
fortgesetzt
von Johann Heinrich Voigt,
d.W.D. Prof. der Mathematik zu Jena, auch Mitglied
der naturforschenden Gesellschaft daselbst, und Corresp. der
Königl. Gesellsch. der Wissens. zu Göttingen.

Neunten Bandes viertes Stück, mit Kupf.

Gotha
1794
.
bey Carl Wilhelm Ettinger.
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Neue Beobachtungen.

[Seite 1]

I.
Herrn de Luc’s geologische Briefe, an
Herrn Professor Blumenbach.

Aus der französischen Handschrift.


Vierter Brief. Geschichte der Erde von der Bildung der Sandstein-
schichten an, bis zum Ende des Aufenthalts des
Meeres in seinem alten Bette: ein Zeitraum
der die Entstehung der vulkanischen Ausbrüche,
der Steinkohlen und des Steinsalzes umfaßt.



Ich habe in meinem vorigen Briefe die Auseinan-
dersetzung der Operationen angefangen, die zur fünf-
ten Periode von denen sechsen gehören, worein ich die
[Seite 2] ganze alte Geschichte unsrer Erde eingetheilt habe;
ich brach da ab, wo die vulcanischen Ausbrüche
erfolgten; und ich schreite nun mit diesem Phänomen
zum weitern Verfolg dieser Operationen.


Fortsetzung der fünften Periode.
1.

Die vulcanischen Ausbrüche sind eins von
denjenigen irdischen Phänomenen, die, weil sie irgend
eine große Ursache voraussetzten, und weil ihre wah-
ren Kennzeichen lange Zeit verkannt worden, die
Einbildungskraft der frühern Geologen am meisten
beschäftigt haben. Die Menge der alten ausge-
brannten Vulcane
, die sich auf der Oberfläche un-
sers festen Landes finden, und der vulcanischen im
Ocean zerstreuten Inseln, haben den Anlaß zu ver-
schiedenen Systemen gegeben, in welchen man die
Bildung unsers festen Landes selbst, durch Stoffe
erklären wollte, die aus dem Boden des Meeres
emporgehoben
worden wären. Nun hatte ich zwar
in meinen Briefen über die Geschichte der Er-
de und des Menschen
gezeigt, daß diese ganze
Classe von Systemen blos aus Mangel an Kenntniß
von Thatsachen, und aus Vernachläßigung der ersten
Principien der Physik und der Mechanik entstan-
[Seite 3] den sey: allein demohngeachtet war Hr. D. Hutton
in den philosophischen Abhandlungen der Edinburger
Societät unter einer neuen Gestalt wieder darauf
zurückgekommen: ich habe ihm aber im Monthly
Review
darauf geantwortet; und hoffe, daß dadurch
diese Streitfrage nun für immer beygelegt seyn
wird; denn ich glaube, daß die geologischen Facta
nun schon zu gut aufgehellt sind, als daß man noch
ferner an jene Ursache denken dürfte, die der Größe
dieser Erscheinungen so wenig angemessen ist.

2.

Das Phänomen der vulcanischen Ausbrüche
ist allerdings sehr groß, wenn man es für sich allein
betrachtet, allein es wird unbedeutend wenn man
das Ganze der sämmtlichen Revolutionen zusammen
faßt, die sich mit der Oberfläche unsrer Erdkugel
ereignet haben müssen; und die vulcanischen Pro-
ducte selbst haben nur ein unmerkliches Verhältnis in
Vergleichung zu denjenigen Erdschichten, die durch
einen chemischen Proceß in einer Flüßigkeit ent-
standen sind, worin die Seegeschöpfe in großem
Ueberfluß lebten und sich fortpflanzten, und deren
Boden folglich nicht so wie etwa Backsteine ver-
härten konnte. Diese Erdschichten, die das größte
von allen Phänomenen auf unsrer Erdkugel sind,
haben Kennzeichen an sich, wodurch sie ganz ohnbe-
[Seite 4] zweifelt an alle die allgemeinen Ursachen geknüpft
werden die einst auf sie gewürkt haben; statt daß
hingegen die vulcanischen Substanzen, die hier
und da in Haufen, auf eben diesen Erdschichten
aufstehen, bloße Local-Ursachen andeuten. Und
eben dies ist der Gesichtspunkt unter welchem ich sie
betrachten werde.

3.

Das Problem der vulkanischen Ausbrüche
begreift folgende drey Fragen:

1. Was ist es für eine Stelle, aus welcher diese
Ausbrüche erfolgt sind?

2. Durch welche Kraft sind die durchs unter-
irdische Feuer geschmolzne Stoffe hervorgetrieben
und ausen angehäuft worden?

3. Wann oder zu welcher Zeit sind diejeni-
gen von diesen Ausbrüchen erfolgt, von welchen
man keine Spur ihrer Entstehung in der Geschichte
findet?

Ich werde diese drey Fragen hier nur kurz be-
rühren, da ich sie schon ausführlicher in meinen
Briefen über die Geschichte der Erde und
des Menschen,
hauptsächlich aber im 11ten und
27sten meiner Briefe an Hrn. de la Metherie im
Pariser Iournal de Physique erörtert habe.

4.
Erste Frage.
[Seite 5]

Verschiedene Mineralogen haben versucht zu be-
stimmen, was das wohl für Erdschichten seyn
möchten, die den Stoff zu den Laven liefern, und
wie wohl dieser Stoff in Fluß gerathe? Allein, ich
habe Grund zu glauben, daß man alles weit tiefer
als in unsern Erdschichten suchen müsse.

Die Menge Schwefelkies, die man in den Schie-
fer- und Thon-lagen findet, hat einige Naturfor-
scher, und namentlich den Hrn. Pallas verleitet,
in ihnen den Feuerheerd der Vulkane zu suchen.
Allein diese Riese können ja nicht anders als an der
freyen Luft verwittern und entzündet werden; und
da jeder Ries in einem Theil der Erdschicht worin
er sich findet, wie in einem Muttergestein eingeschlos-
sen liegt, so ist er schlechterdings vor der Einwür-
kung der Luft gesichert.

Andere Naturforscher haben in dieser Hinsicht
ihre Aufmerksamkeit auf die Steinkohlenflöze ge-
richtet: allein abgerechnet daß diese nicht tief genug
liegen, um den Phänomenen der Vulkane zu ent-
sprechen, so sind sie ja selbst auch mir andern Stof-
fen umgeben, wodurch der Zutritt der Luft verhü-
tet wird, ohne welchen sie eben so wenig brennen
[Seite 6] können. Zuweilen ist freylich durch Zufall in den
Steinkohlengruben Feuer ausgekommen, das
dann auch wohl Jahre lang fortgebrannt hat: aber
dies geschah blos, weil man nicht zeitig genug Vor
sicht gebrauchte, um die Oeffnungen zu verstopfen die
der Luft neuen Zutritt verstatteten. Und wenn erst
eine geraume Zeit verflossen ist, so ist dann dieses Mit-
tel das Feuer zu loschen, wegen der Menge Risse
und Spalten in dem Boden, unter welchen die Gru-
ben fortgetrieben worden, nicht mehr anwendbar.
Aber der Brand hat doch blos in den Trümmern
(decombres) und Stützen statt, die man die De-
cke zu halten stehen läßt, und er wird hingegen von
selbst gedämpft, so bald er an di festen dichten
Lager kommt.

5.

Dieß ist alles, was man zu Gunsten der Mey-
nung, daß der Feuerheerd der Vulkane in unsern
Gebirgslagen befindlich sey, hat vorbringen kön-
nen. Allein dieß wird schon durch einen Umstand
entkräftet, der uns weiter zurückführt; daß nemlich
die Vulkane bey sehr heftigen Ausbrüchen zuweilen
Granitstücken auswerfen, d.h. von einer Ge-
birgsart, die von allen die wir kennen am allertiefsten
liegt. Uebrigens braucht man auch blos zu erwägen,
was für eine unermeßliche Gewalt dazu gehört, die
[Seite 7] Laven bis in die Gipfel solcher Vulkane empor zu
treiben wie die Cordilleren oder der Aetna sind,
um einzusehn, daß kaum die ganze Masse unsrer Ge-
birgsschichten
hinreicht, um ihrer Reaction zu
widerstehen, die, wie man sehen wird, die größten
Erdbeben hervorzubringen im Stande ist. Endlich
wissen wir auch, daß durch die, unter dem Boden
des Meeres erfolgten Ausbrüche, ganze vulkani-
sche Inseln emporgehoben worden und entstanden
sind, wodurch denn sogleich jeder Gedanke zu der
Behauptung widerlegt wird, als ob das unterir-
dische Feuer
von den nemlichen Ursachen entstehen
könnte, die das Verbrennen auf unserer Erdfläche
bewürkt.

6.

Ich halte mich also für berechtigt, den Ort von
wannen die vulkanischen Ausbrüche entstehen, in den-
jenigen Schlamm zu setzen, der sich ursprünglich
aus der Flüßigkeit absonderte, mit welcher unsre
Erdkugel anfänglich ganz bedeckt war, und auf wel-
chem sich nachher unsre Gebirgsschichten anhäuften.
Man wird vielleicht einwerfen, daß dies die Schwie-
rigkeit
nicht hebt, sondern nur weiter zurückgesetzt;
allein dieser Einwurf findet dießmal keine statt; denn
wenn unsre jetzigen Gebirgsschichten als die uns
unmittelbar bekannten Substanzen hier keinen Auf-
[Seite 8] schluß geben können, so muß man zu andern Sub-
stanzen fortgehn, deren Existenz übrigens durch ver-
schiedne Phänomene erwiesen ist. Was die Art und
Weise betrifft, wie die Laven sich an jenen Orten
bilden so wird niemand verlangen, daß ich die
specifischen Ursachen davon angeben soll; ich habe
in meinen vorigen Briefen hinlänglich gezeigt, daß,
ohngeachtet wir freylich keine gründliche Erklärung
der Phänomene, die sich ehedem auf unsrer Erdkugel
ereignet haben, oder sich noch jetzt entfernt von un-
serm Beobachtungskreis ereignen, geben können,
ohne sie mittelst der Analogie auf diejenigen zu stü-
tzen, die uns aus der direkten Erfahrung bekannt
sind; wir dennoch in dieser Rücksicht keine andern
als generische Analogien erwarten können. Nun
aber liefert uns die Chemie mehrere Beyspiele von
Fällen, in welchen sich, mittelst besonderer Opera-
tionen, die vom Verbrennen sehr verschieden sind,
Feuer in Menge aus Stoffen entbindet, die vorher
keine Spur desselben verriethen; und eben die Ana-
logie mit diesen Fällen macht es begreiflich, wie ge-
wisse feuchte und weiche Stoffe, die unter unsern
Gebirgschichten vergraben liegen, in solche La-
ven
umgewandelt werden können, dergleichen wir
nun aus den Eingeweiden der Erde hervordringen
sehn.

7.
Zweyte Frage.
[Seite 9]

Wenn sich nun diese zähe und glüende Flüßig-
keit
in einer solchen Tiefe, wie sie die angeführten
Betrachtungen andeuten, gebildet hat, durch was
für eine Kraft wird sie dann ausgetrieben, und bis
in die Gipfel solcher vulcanischen Bergkegel ge-
trieben, wie der Aetna und die Cordilleren?

Dieß sind überhaupt die ausdehnbaren Flui-
da;
und wir haben schon aus der Menge von Ge-
schieben, die aus den allertiefsten Gebirgslagen überall
herausgeschleudert worden, den Beweis gesehn, daß
sich dergleichen Fluida in den Hölen, die tiefer als
alle unsre Gebirgsschichten liegen, bilden müssen.
Nun aber würden diejenigen von diesen Fluidis, die
wir permanente oder Luftförmige nennen, bey
weiten nicht hinreichen unser Phänomen zu erklären;
sondern es sind wässerige Dämpfe die hier haupt-
sächlich wirken, und um dieß zu beweisen, muß
ich zuförderst den Begriff von dieser Art von Flui-
dis
festsetzen.

8.

Wäßriger Dampf ist ein ausdehnbares
Fluidum,
das, unter jeder Temperatur, durchs
[Seite 10] Verdampfen des Wassers hervorgebracht wird.
Findet sich eine hinlängliche Menge Wassers in ir-
gend einem verschlossenen Raume, so wird dieses
Fluidum darin im gleichen Maaße immer dichter,
in welchem die Wärme zunimmt; und kann dadurch
zu einer ungeheuern ausdehnenden Stärke gelangen:
es wird hingegen in umgekehrtem Verhältnisse wieder
allgemach zersetzt, so wie die Wärme abnimmt;
kann auch schon gleich bey der ersten merklichen Ver-
minderung der Wärme zersetzt werden, wenn der glei-
che Druck anhaltend darauf würkt. Ich habe diese
Gesetze der Dämpfe und ihre Ursachen in meinen
Ideen über die Meteorologie entwickelt.

9.

Nun ist es ausgemacht, daß sich im Innern der
Erde große Massen von Stoffen bilden, die durch
die Menge von Feuer, was im Schooße derselben
frey geworden, in glüende Schmelzung (fusion
incandescente
) gerathen sind; und dann bedarf es
blos einer hinlänglichen Menge Wassers, das sich
in die Hölen, die diesen Stoff enthalten, ergieße,
um daselbst mit einmal eine Menge Dämpfe hervor-
zubringen, die, wenn sie nicht durch irgend eine Oeff-
nung Ausgang finden, die größte Gewalt zu äußern
im Stande sind. Nun wollen wir setzen, daß sich
eine solche Oeffnung in den Wänden der Höle fände,
[Seite 11] die aber eben durch die geschmolznen Stoffe ver-
stopft sey: so wird der Dampf seine Gewalt gegen
diese Stelle, die weniger zu widerstehen im Stand ist,
äußern; und wird diese Stoffe so lange forttreiben,
bis er sich selbst irgendwo Luft macht; denn so lan-
ge er eingeschlossen bleibt, und Wasser in der Höle
befindlich ist, so lange kennt seine Gewalt keine
Grenzen, als welche immer in Verhältniß zu seiner
Dichtigkeit, so wie diese zur Menge des darauf
wirkenden Feuers steht.

10.

Auf diese Weise bilden sich die Lava-massen zu
einer ungeheuern Höhe. Mitten durch diese Haufen
erhält sich ein offner Canal; weil der Ausbruch ei-
ner jeden Lave oder jeder Quantität von geschmolz-
nen Stoffen
, die sich in einer gewissen Zeit an
der untern Mündung anhäuft, sich gewöhnlich mit
Explosionen d.h. mit Ausströmen von aus-
dehnbaren Fluidis
endigt, die sich endlich mitten
durch die zuletzt emporgehobenen Massen Luft machen.
Die folgenden Ausbrüche, die durch neue Anhäu-
fung von flüßigen Stoff an der untern Mündung,
wenigstens sogleich veranlaßt werden, wenn sich wie-
der ein Ueberfluß von Dämpfen daselbst gesammelt
hat, nehmen den gleichen Weg, und endigen sich auf
die gleiche Weise, indem sie zugleich den Canal im-
[Seite 12] mer mehr verlängern; wenigstens so lange dieser
nicht entweder durch Einsturz oder durch Erkältung
und dadurch erfolgte Verhaltung der Laven in seinem
Innern verstopft wird. In diesem letztern Fall er-
hält der eingeschloßne Dampf eine sehr große Ge-
walt, er macht den Boden beben, und bewürkt end-
lich einen Ausbruch von Lava an irgend einer
Stelle des vorher entstandenen Haufen. So lange
die Laven fortfahren sich durch den nemlichen Ca-
nal
zu erheben, der sich dadurch blos verlängert,
und sich die Ausbrüche des losen Stoffes, den man
vulcanische Asche nennt, ebenfalls in Garben-
form durch den nemlichen Canal erheben, so erhe-
ben sich auch diese verschiedenen ausgeworfnen Stoffe
in Form eines Kegels; ohngefähr so wie sich die
Erde die von den in ihren unterirdischen Gängen
wühlenden Maulwürfen ausgeworfen worden,
rund um die Oeffnung im Erdreich erhebt. Wenn
aber endlich diese Anhäufungen auf einer Grundfläche
allzustark anwachsen, so daß diese endlich die Last der-
selben nicht mehr ertragen kann, oder sich aus einer
innern Ursache senkt, so stürzt der Kegel in Trüm-
mern zusammen, und es bleibt ausen nichts weiter
stehen als der regellose Umkreis seiner Grundfläche,
nemlich die Aussenseite der Laven die vom Gipfel
oder von den Seiten herabgeströmt waren; wovon
alte morsche ausgehölte Wurzelstücke von großen
Bäumen eine Vorstellung im Kleinen geben können.
[Seite 13] Ich habe sehr große Beyspiele dieser Catastrophen
in den alten Vulcanen gegeben, unter welchen man
weite Einfassungen von Hügeln bemerkt, die
nichts als Reste von Laven sind, untermengt mit
Aschen und Schlacken, wovon die Durchschnit-
te
(Sections) sich rundherum an der innern Wand
zeigen: und man sieht ein Beyspiel davon im Klei-
nen am Vesuv, dessen jetziger Kegel sich auf den
Trümmern eines ältern weit größern Kegels empor
gehoben hat, zu dessen Grundfläche auch einst der
Berg Somma gehörte. Schon dieses Phänomen,
das man in allen Gegenden beobachten kann, die
Ueberfluß von vulcanischen Stoffen haben, wäre
allein hinreichend zu zeigen, wie sehr man die Prin-
cipien der Physik und Mechanik vergessen haben muß,
wenn man sich einbilden konnte, daß unser festes Land
selbst von unterirdischem Feuer habe können empor
gehoben und nun in seinem ganzen Umfange und in
einer solchen Höhe unbeweglich fest gehalten werden.
(Vermuthlich daß ihm irgend so ein Sohn des Atlas
zur Stütze dient.)

11.

Wir werden auch das Fluidum, das die Laven
emporhebt
noch in einem andern Phänomene erken-
nen: weil zu der Größe der plötzlichen Würkung,
wovon man sich bey keiner andern Art von Fluidum
[Seite 14] nur eine Vorstellung machen könnte, auch noch das hinzu
kommt, daß diese Würkung wieder ohne allen andern
äusern Zufall, plötzlich wieder aufhört. Ich rede
von den Erdbeben. Wie in aller Welt wäre es
möglich, daß große weite Strecken in Ländern, die
mit den größten Gebürgsketten durchzogen sind, soll-
ten durch die unterirdische Erzeugung einer hinläng-
lichen Menge irgend eines Fluidi mit einem male
erschüttert werden, und daß diese Würkung wiederum
aufhören sollte, ohne daß sich dieses Fluidum nach
ausen mit einer Hefftigkeit Luft machte, die im Stan-
de wäre die Gebürge selbst umzustürzen? – Dieses
Fluidum erschüttert zuweilen den Boden des Mee-
res, hebt das Meerwasser empor und ergießt es mit
Heftigkeit auf die Küsten; – Warum aber dringt
es nicht durch die Masse des Wassers hindurch, so
wie es eine Luft-Säule thun würde, die die gleiche
Würkung hervorbrächte? Ja die Ursache ist, weil
dieses Fluidum keine Luft – sondern Wasser-
dampf
ist, der sich sogleich von selbst wieder zersetzt,
so bald er den Grad von Wärme verliert, der ihn
gebildet hatte.

12.

Die Auflösung des Problems von den Erdbe-
ben
umfaßt also die größten Probleme in der ganzen
Geologie. Soll diese Würkung können hervorgebracht
[Seite 15] werden, so muß zuförderst unser festes Land grose
Holen bedecken, die in weiten Entfernungen unter
einander in Verbindung stehen. Nun aber habe ich
schon hinlänglich gezeigt, daß selbst die Entstehung
der auf einander folgenden verschiednen Gebürgs-
schichten
, und die Catastrophen die sie erlitten ha-
ben, die allmähliche Bildung solcher Hölen unter
diesen Schichten nothwendig voraussetzen; so, daß
die noch jetzt existirenden dergleichen Hölen Ueber-
reste derselben sind.

Ferner müssen verschiedene Stellen im Innern
unsrer Erdkugel eine Wärme haben, die im Stande
ist plötzlich eine ungeheure Menge von sehr dichten
wässerichten Dämpfen
hervorzubringen; und
wich sehen auch an den noch jetzt brennenden Vulca-
nen
, daß viele solche unterirdische Hölen geschmolz-
ne Stoffe
enthalten müssen.

Ferner muß sich plötzlich eine große Menge Was-
ser
über diese Stoffe ergießen; und da uns so viele
Hölen die wir in den Bergen und Hügeln fin-
den, sattsam zeigen, in welcher Zerstörung sich unsre
Gebürgsschichten finden, so können wir schon da-
durch ohne Mühe begreifen, daß sich im Innern un-
sers Erdbodens Wasservorräthe sammlen, die von
Zeit zu Zeit ihre Dämme durchbrechen und sich in jene
unterirdische Schmelzöfen ergießen können.

[Seite 16]

Hierdurch entsteht ein Erdbeben; und dieses
cessirt wieder, ohne daß sich die Ursache desselben
weiter äusserte, weil die Dämpfe gar bald in andre
Hölen und in Risse der Gebirgslagen eindringen,
daselbst ihre Wärme verlieren, und wiederum zu
Wasser werden.

13.
Dritte Frage.

In welcher Periode haben nun diese großen vul-
canischen Ausbrüche
, wovon wir die Denkmale
vor uns sehen, ohne daß doch die Geschichte ihrer
Erwähnung thäte, ihren Anfang genommen und sich
hauptsächlich ereignet?

Ich setze diese großen Ereignisse hier in diese
fünfte Periode, von der ich gegenwärtig handle,
weil man eine Menge vulcanischer Kegel und
zerstreuter Laven findet die mit Schichten von
Flöz-Kalkstein der von versteinten Seegeschö-
pfen
gleichsam wimmelt, so wie auch mit Sand-
stein-schichten
umgeben sind. Folglich müssen sich
diese Ausbrüche zu der Zeit ereignet haben, als
das Meer noch unser festes Land bedeckte, und
die vulcanischen Kegel haben sich damals erhoben,
gerade so wie man in diesem Jahrhundert Isola nu-
ova
auf dem Archipelagus sich erheben gesehn hat.

14.
[Seite 17]

Ich werde mich hier nicht bey den Ideen einiger
Schriftsteller aufhalten; die aus den abwechselnden
Schichten von Lava und von Kalkstein, die man
an einigen Orten gefunden hat, und aus den Kalk-
lagern
womit vulkanische Kegel umgeben sind,
geschlossen haben, das Meer habe zu wiederholten-
malen (in verschiednen Perioden) unser festes Land
bedeckt; da ich schon in meinen andern Schriften ge-
zeigt habe, daß dieß eine ganz unnütze und allen geo-
logischen Phänomenen widersprechende Vorausse-
tzung ist.

Eben so wenig, und aus dem nemlichen Grunde
werde ich auf den Einfall derer zurückkommen, die,
weil sie die vulkanischen Aschen die man zwischen
den Lava-Schichten einiger vulkanischen Kegel
bemerkt, für Laven hielten, die in der Luft de-
componirt seyn müßten; und nun die Zahl dieser ab-
wechselnden Schichten an schroffen durchschnitten der
Seitenwände gewisser solcher Kegel, wie z.B. des
Aetna, zählten; und nun die Länge der Zeit berech-
neten die zu ihrer Entstehung nöthig gewesen sey;
und endlich hieraus – ganz gegen alle Phänomene
die unwiderredlich beweisen, daß unser festes Land
sehr neuerlich entstanden seyn muß – ein äuserst
hohes Alter desselben folgern wollten.

[Seite 18]

Ich wiederhole also blos, daß diese großen Ke-
gel
sich im Meere zu bilden angefangen haben; und
daß auch damals, als die Laven aufhörten ihren
Canal zu füllen, und die ausdehnbaren Fluida
anfiengen sich daselbst Luft zu machen, die Explosio-
nen von vulkanischen Asche erfolgten, welche die
Laven bedeckten und sich noch weit über dieselben
weg verbreiteten. Ich habe Ebnen in der Gegend
von Coblenz beschrieben, deren Boden aus Schich-
ten
von vulkanischer Asche und von Bimsstein
besteht, die durch das Meer so wie unsre Lagen
von Grussand (gravier) verbreitet worden.

15.

Ich glaube, daß diese kurze Erörterung über die
Vulkane hinreichend seyn wird, um nun anzuneh-
men, daß dieß ein besondres, wenn gleich an sich selbst
großes, Phänomen ist; daß es ohne Zweifel mit den
allgemeinen Ursachen der geologischen Veränderu-
gen, die sich auf unsrer Erdkugel zugetragen haben, zu-
sammenhängt; aber freylich mittelst der Zwischenkunft
von Lokal-Ursachen; (wovon wir in der Folge
noch Beyspiele andrer Art sehen werden;) und daß,
wenn es nicht die Massen von vulkanischen Stof-
fen
wären, die wir hier und da zwischen unsern
Gebirgschichten finden, ohne daß dieselben doch da-
selbst in einer größern Unordnung als anderwärts
[Seite 19] seyn sollten, wir gar nicht wissen würden, daß eine
andre unterirdische Schmelzung existirt hätte, als
diejenige die sich an unsern letzigen Vulkanen zeigt.
Ja es scheint sogar, daß derjenige Zeitraum in wel-
chem sich die ersten und größten Ausbrüche der
Laven ereigneten; der Zeitraum in welchem sich die
Flözkalk-Lagen bildeten, die so viele versteinte
Seegeschöpfe enthalten, und an verschiednen Or-
ten wieder mit Sandsteinschichten bedeckt sind;
daß dieser einer der allerruhigsten für den Meeres-
boden war: was denn voraussetzt, daß die Rinde
der Schichten vom neuen auf festen Stützen
ruhte, die sich durch Vereinigung (Concretion)
in der Masse der getrennten Substanzen gebil-
det hatten. Aber zwischen diesen Stützen kreuzten
sich mächtige Hölen durchs Einsinken jener Sub-
stanzen
; und als sich diese Einsenkung auch unter
sie selbst erstreckte, so stürzten sie ein, und die Masse
der Gebirgschichten erlitt dadurch vom neuen eine
große Catastrophe, deren Spuren unserm festen
Lande aufgedruckt sind. Der größte Theil der
Rinde mußte dann in verschiednen Portionen ein-
sinken, und was davon noch auf den Stützen lie-
gen blieb, und nun jetzt den größten Theil unsrer
Berge vom zweyten Range und unsrer Hügel bil-
det, zeigt alle Charaktere von Ruinen.

16.
[Seite 20]

Ich habe schon mehrmalen Gelegenheit gehabt zu
erinnern, daß so wie sich allgemach die Hölen bil-
deten, sie auch mit verschiednen ausdehnbaren
Fluidis gefüllt wurden; so daß während des Ein-
sinkens der Schichten und des Einstürzens der
Flüßigkeiten in die Tiefen dieser Hölen, jene
Fluida mit Gewalt aus selbigen herausdrangen und
die Trümmern der Schichten, die ihnen im Weg la-
gen, vor sich weg schleuderten. Diese Würkung war
in der Periode von der wir jetzt handeln, sehr auf-
fallend beträchtlich, und von derselben schreibt sich
das große Phänomen her, das ich in meinem ersten
Briefe beschrieben habe, nemlich die Blöcke von Gra-
nit
und andern primitiven Gebürgsarten, die
man auf den Gebürgen von Kalkstein und
Sandstein und besonders in den schroffen Durch-
schnitten (coupures) findet, die die Thäler dersel-
ben bilden; so wie auch die Menge der kleinen Ge-
schiebe und des Grussandes von derselben Art, die
man in den folgenden Schichten bemerkt.

17.

Wiederum schwängerten die ausdehnbaren
Fluida bey jeder Revolution, indem sie aus den
Hölen hervorbrachen, die Flüßigkeit mit neuen
[Seite 21] Ingredienzien, wodurch denn die Art der Präci-
pitation
abgeändert ward: woraus sich denn das
Aufeinanderliegen der mannichfaltig abwechselnden
Schichten, als eins der größten geologischen Phäno-
mene erklärt. Während dieser Präcipitationen
änderten auch die ausdehnbaren Fluida, die sich
aus der Flüßigkeit entwickelten, allmählich ihre
Natur, und so bildete sich unsre Atmosphäre,
dieses Gemengsel von Fluidis, das nur die Natur-
kenner erstaunen macht, aber ihr Erstaunen gerade
um so mehr erhöht, je aufgeklärter und je aufmerk-
samer sie sind. Denn fürwahr, wer irgend die me-
teorologischen
Phänomene, und ihren Bezug auf
die Operationen die unaufhörlich auf der Oberfläche
unsrer Erde auf einander folgen, gründlich und tief
studirt, der kommt sehr bald zur Ueberzeugung daß
wir in unsrer Kenntniß dieses großen Laboratoriums
der Natur, auf unsrer Erdkugel, noch ganz in der
Kindheit sind; daß eine große Zahl von den Fluidis
die zu diesen, unter unsern Augen sich ereignenden
Operationen verwandt werden, uns noch gänzlich
unbekannt sind, und daß wir selbst diejenigen die un-
mittelbar in unsre Sinne fallen, nur sehr wenig ken-
nen; wie ich dieß in meinen Ideen über die Me-
teorologie
und in mehren andern meiner Werke
gezeigt habe.

18.
[Seite 22]

Wenn wir ferner die Folgen betrachten, welche
die succeßiven und correspondirenden Veränderungen
der Flüßigkeit sowohl als der Atmosphäre auf
die organisirten Körper haben mußten, zu deren
Erhaltung in ihren Schoos jedes derselben beytrug;
so werden uns die Veränderungen nicht länger be-
fremden, die sowohl die Seethiere, als die Thiere
und Pflanzen auf der Erde erfahren mußten; so
wenig als das gänzliche Aussterben einiger Arten
derselben in einem oder dem andern von jenen Elemen-
ten. Fern davon wird das, was uns unsre Erd-
schichten
über diese Geschichte der organisirten
Körper lehren, sich an die Ursachen wieder anknü-
pfen, die wir bis jetzt auseinandergesetzt haben, und
zu einem neuen Beweis derselben dienen. Ich werde
hier mich in keine weitere Erörterung darüber aus-
lassen, man findet sie in andern meiner Schriften,
sondern ich werde mich blos auf einige Gegenstände
aus der Geschichte der Land-gewächse, (vegé-
taux terrestres
) einschränken, die zur Erklärung
eines andern großen geologischen Phänomens nöthig
sind, zu welchem ich jetzt über gehe.

19.

Die Steinkohlen-Flöze haben uns durch ihre
große Brauchbarkeit zur Feuerung Aufschlüsse über
[Seite 23] die Geschichte unsers Erdkörpers verschafft, die wir
ohne dieses allgemeine Intresse niemals erhalten ha-
ben würden; denn nimmermehr würden die Natur-
forscher aus blossen Untersuchungsgeist es unternom-
men haben, so tief und an so vielen verschiednen Or-
ten unter den Erdboden zu dringen. Nun aber wer-
den wir sehn, was uns dieses tiefe nachgraben offen-
bahrt hat.

20.

Ich habe in meinen Briefen über die Geschich-
te der Erde und des Menschen
und im 13ten
und 17ten meiner Briefe im Iournal de physique
gezeigt, daß der Stoff der Steinkohlen ehedem
Torf gewesen ist; und ich glaube nicht, daß dieß jetzt
noch bezweifelt wird. Aber die Pflanzen, deren
zerstörte, aber doch nicht decomponirte Reste jenen
Torf bildeten, waren gar sehr von denen verschie-
den, die heutigestages die Ingredienzien zu unsern
Europäischen Torf liefern. Wir wissen dieß, weil
man in den Schichten von andrer Art, die auf je-
nen Torf aufgesetzt worden, die Abdrücke von
Pflanzen findet, die auf der Oberfläche desselben
gewachsen waren und wovon er entstanden war. Man
erkannt unter diesen Eindrücken einige Pflanzen
die noch jetzt unter der nemlichen Breite wachsen, wie
z.B. das Sphagnum palustre und einige Schilf-
[Seite 24] arten, die viel zum Stoff unsers jetzigen Torss
beytragen; so auch mehrere bekannte Farrenkräu-
ter
: aber erstens gehören diese letztern jetzt nicht
mehr zu unsern Climaten; und dann findet man auch
auserdem unter diesen Abdrücken, solche von Pflan-
zen
, die nun heutigestages auf unsrer Erde ganz un-
bekannt sind. Folglich haben wir in den Stein-
kohlenwerken
, so wie in manchen Sandstein-
flözen
Denkmahle einer Vegetation die sich auf
den ersten Boden gründete, und die denn in der-
jenigen Revolution welche die dritte Periode
der alten Geschichte unsrer Erde charakterisiert, aufs
Trockne versetzt worden: Und wenn wir dann diese
Denkmahle mit der jetzigen vegetabilischen Schö-
pfung
vergleichen, so entdecken wir, wie in allen
andern geologischen Phänomenen, daß die auf unsre
Erde wirkenden Ursachen (les causes terrestres)
in jenen ersten Zeitaltern unsers Planeten große
Veränderungen erlitten haben.

21.

Um uns sicher auf die Ursachen zu leiten, welche
die Umwandlung des alten Torfbodens in unsre
jetzigen Steinkohlenflöze bewürkt, und sie in den
Zustand versetzt haben, worin sie sich gegenwärtig
befinden, muß man zuförderst erwägen, dass diese
Schichten von vegetabilischen Substanzen zwi-
[Seite 25] schen Steinschichten eingeschlossen sind in welchen
man Seegeschöpfe findet: so daß wir sehen, die
Torflager aus welchen sie entstanden, sind nachher
überschwemmt, und in diesem Zustand mit den
Schichten bedeckt worden, die der Niederschlag
aus dem Meere abgesetzt hat.

Ferner ergiebt sich aus dieser unmittelbaren Fol-
gerung, warum die Steinschichten, womit die Stein-
kohlenlager
bedeckt sind, ohngeachtet sie aus man-
cher Rücksicht andern dergleichen Schichten ähneln,
die in der nämlichen Periode, aber anderwärts,
gebildet worden, dennoch ihre eigenthümlichen sie un-
terscheidenden Kennzeichen haben: wie z.B. die
Thonlager die sich immer dabey finden, und die
vielen zerstreuten Nieren von thonichten Eisen-
stein
in ihrer Masse enthalten, welche oft Kräuter-
abdrücke
einschliessen. In dieser Rücksicht muß
man sich erinnern, daß zu der Zeit, als die Flüßig-
keit
des Meeres annoch die Elemente zu mancher-
ley Arten von künftigen Schichten enthielt, die
Beschaffenheit derjenigen, die sich so eben bildeten,
zum Theil von der Beschaffenheit der neuen Ingre-
dienzien
abhieng, welche den Niederschlag bewürk-
ten. Nun aber giebt der überschwemmte Torf die all-
gemeine Idee einer Quelle von neuen Ingredienzien,
wodurch besonders Niederschläge zur nemlichen
Zeit bestimmt wurden, als auch dieser Torf selbst
[Seite 26] Modificationen erlitt die sein äuseres Ansehn vorän-
derten.

22.

Wenn man nach andere Beweise für den Ursprung
der Steinkohlen aus Torflagern die vom Meere
überschwemmt worden, nöthig hätte, so fänden wir
sie in dem fossilen Torf*) (Tourbes fossiles)
der weiter nicht von den Steinkohlen verschieden ist,
als weil er von späterer Entstehung ist und damals
als das Meer sein altes Bett verlies, diese letzte
Umwandlung noch nicht erlitten hatte. Ich habe
von diesen vegetabilischen Schichten in meinem
17ten Briefe im Iournal de physique nach meinen
Beobachtungen auf dem Steinberg bey Münden,
auf dem Weisner und dem Kobelberg in Hessen
gehandelt, wo dieses Phänomen vollkommen mit
dem übereintrift, wie man es auch in einigen Ge-
genden der Schweiz und in England bemerkt. Die
vegetabilischen Substanzen sind in diesen Schich-
ten
noch sehr kenntlich, und man findet darin vor
allen eine Menge von Baumstämmen, Aesten und
Wurzeln, gerade so, wie in unsern jetzigen großen
Torflagern. Nun aber sind diese vegetabilischen
Schichten
offenbar fossil: denn man findet sie zwi-
[Seite 27] schen Steinschichten, die durch die nemlichen Ca-
tastrophen zu hohen Hügeln gebildet worden, wo-
durch auch Hügel von andern Arten der Schichten
entstanden sind. Die drey gedachten Berge oder Hü-
gel sind blos dadurch zu solchen Anhöhen gewor-
den, weil sich alles um sie herum gesenkt hat; wie
man dieß an ihrem schroffen Abhang steht, der
die Durchschnitte ihrer Schichten darstellt; ohne
welchen Umstand sie uns für immer unbekannt geblie-
ben seyn würden.

23.

Jetzt fragt sichs, was ist aber die Ursache dieser
Ueberschwemmung des alten Torfs, (die sich
sogar an manchen Orten zu wiederholtenmalen zuge-
tragen hat) und der Einstürzungen die darauf
erfolgten; Ereignisse, die wir in den Kohlenflö-
zen
, gleichsam als in den Archiven jener Länder,
lesen. Ein Factum leitet uns wieder in dieser Unter-
suchung: daß nemlich die Massen der Schichten, in
welchen sich die Steinkohlen finden, immer wie
eingefugte Stücken (pieces de rapport) in
der Masse der ältern Schichten inne liegen. Daher
kennen erfahrne und geübte Bergleute in ihren Ge-
genden, wo Steinkohlen gegraben werden, alle daselbst
auf einander folgende Schichten: so, daß sobald
sie dem Einschürfen eine Steinschicht (couche
[Seite 28] pierreuse
) treffen, sie gleich wissen, nach welcher
Gegend des Horizonts und in welcher Entfernung
sich eine gewisse Kohlenschicht finden wird. Aber
eine solche in einem gewissen Distrikt erworbne
Kenntniß, paßt deswegen nicht auch auf jeden an-
dern: sondern derselbe Bergmann, wenn er nun in
einen fremden Distrikt versetzt wird, bringt nichts
als die allgemeinen Grundkenntnisse seiner Kunst mit
dahin, nach welchen er nun vom neuen anfangen muß,
die dortigen neuen Schichten zu studieren. Auf
diese Weise gelangen die Bergleute einer Gegend da-
hin, den Umfang ihrer Kohlenlager oder des Di-
strikts
, in welchem sie Hoffnung haben Kohlen zu
finden, bestimmen zu können; sie lernen die Gren-
zen
desselben anzugeben, die rund herum mit ver-
schiedenartigem Boden bezeichnet sind: oft mit Kalk-
steinschichten
, welche, wenn sie sich nach den vori-
gen hinsenken, allemal unter ihnen hin laufen, oder
abgebrochne Durchschnitte (Sections abruptes)
darstellen.

24.

Da die Steinschichten, von welchen die Koh-
lenlager
umgeben und eingefaßt werden, Seege-
schöpfe
enthalten, so ist dieß ein abermaliger Be-
weis, daß sie ursprünglich eine ohngefähr wagerech-
te
Lage gehabt haben müssen: und doch findet man
[Seite 29] sie gewöhnlich in einer sehr gestürzten Lage, zuwei-
len fast senkelrecht: folglich haben auch sie die nem-
lichen Catastrophen erlitten, wovon wir anderwärts
schon so viele Beyspiele gesehen haben.

Wenn die Kohlenschichten sehr gestürzt stehen,
so wird man bey ihrer Gewinnung, noch unten,
bevor man sie noch erschöpft hat, durch die Schwie-
rigkeit des Wassers mächtig zu werden, aufgehalten.
Dieß hat einige Naturforscher verleitet zu glauben,
die Steinkohlenlager drängen tief in die Erde
hinab: aber dieß war ein Irrthum. Denn die nem-
lichen Lagen die man auf diese Weise in der Tiefe
verlassen mußte, finden sich in der Entfernung wie-
der in der Höhe, und das selbst zu wiederholtenma-
len: so daß es ausgemacht ist, daß alle diese heu-
tigestages verschiednen Massen, blos Stücken einer
und eben derselben vormals zusammenhängenden,
Masse sind; deren zerrißne Stücken nach einer
Seite gefallen sind, und sich an einander stützen
und anlehnen. Folglich ist es das Geschäffte des
Bergmeisters alle diese zu einen gemeinschaftlichen
Lager
in seinen District gehörigen Partieen
aufzusuchen; was beträchtliche Schwierigkeiten hat,
wenn das Land mit Hügeln unterbrochen ist: denn
diese besondern Partieen haben nicht immer einerley
Richtung nach einem gemeinschaftlichen Punkt; und
ich habe z.B. bey Aachen ein und eben dasselbe
[Seite 30] Steinkohlenflöz so gebrochen gesehn, daß sein
verticaler Querdurchschnitt von der Seite ein N bil-
dete, wovon der nach oben hinausragende Winkel
einem Hügel zugehörte, der unten zusammenlaufen-
de aber unter einen Thale lag. Endlich sind auch
die Massen selbst die im Ganzen eine merklich gleiche
Richtung haben, oft so wie die Erzgänge unter-
brochen: doch hat man dann nicht so viele Mühe die
verdruckten Stellen wieder zu finden: denn sobald
nur der Bergmann hinter einen verdruckten Gan-
ge
das Steinflöz getroffen hat, das sich anstatt
der Kohlen daselbst zeigt, so kann er leicht errathen,
wo nun diese letztern wieder anzutreffen seyn werden.

25.

Nachdem wir also das Phänomen der Stein-
kohlen
nach seinen wahren Charakteren beschrieben
haben, zeigt sich dasselbe blos als eine besondre Mo-
dification der schon vorher erklärten allgemeinen Ur-
sachen, durch welche sich unter dem Gewässer des
vormaligen Meeres Mineral-schichten bildeten,
die von Zeit zu Zeit Umsturz erlitten: und man ent-
deckt auch sehr leicht von welcher Art die Catastrophen
gewesen, welche diejenigen Stellen erlitten haben,
die nun jetzt unsere Kohlenflöze sind.

Ich habe schon erklärt, warum in den Revolu-
tionen jenes alten Meeres, Inseln entstanden sind:
[Seite 31] weil nemlich immer mehr von seiner Flüßigkeit sich
in die Risse der darunter liegenden Rinde verlief,
und sich folglich seine Oberfläche immer mehr senkte,
so wurden dadurch endlich diejenigen Stellen jenes
Meeresbodens, die weniger eingesunken waren als
die übrigen, aufs Trockne versetzt.

Auf einigen dieser Inseln bildeten sich nun an-
fangs die Torflagen, so wie sie sich auf vielen
Inseln unsers nordischen Oceans bilden.

Ferner habe ich aus sehr charakteristischen Phä-
nomenen gezeigt, daß selbst die Stützen, auf wel-
chen bey den Catastrophen im Boden des alten Mee-
res,
jene höhern Theile der Rinde ruhten, dem
Einsinken ausgesetzt waren, als nach einer längern
oder kürzern Zeit, die Würkung der Flüßigkeit auf
die innern getrennten Substanzen, sich endlich bis
unter sie erstreckte. Dann senkten sich die vorher
gestützten Theile selbst, und wenn sie dadurch, dann
von der Flüßigkeit bedeckt wurden, so erhielten sie
wieder Zuwachs von neuen Schichten. Dieß ist,
sage ich, eine allgemeine Ursache, deren Würkung
in sehr verschiedentlichen Modificationen, auf tau-
sendfache Weise, der Oberfläche unsers festen Lan-
des
eingeprägt ist; so daß das Phänomen der Stein-
kohlenflöze
nichts weiter als eine durch den Torf
modificirte Abart davon ist.

[Seite 32]

Als die Inseln von welchen ich spreche, einge-
sunken waren, ward der Torf durch die Nieder-
schläge
die in der Flüßigkeit ferner abgesetzt wur-
den, mit andern Schichten bedeckt.

Als hierauf die Flüßigkeit sich auf die angegebene
Weise zum Theil verlaufen hatte, und dadurch seine
Oberfläche so niedrig zu stehen kam, daß jene Inseln
vom neuen ans Trockne geriethen, so bildete sich wie-
derum Torf; der aber mehrmals von der Flüßig-
keit
überschwemmt ward als ihr Boden abermals sich
senkte.

Endlich erlitten diese aus vegetabilischen und
mineralischen Schichten zusammengesetzten Massen
bey einer der folgenden Resolutionen des Meeres-
bodens eine sehr große Catastrophe: sie rissen als sie
sich vom neuen senkten, und der Zustand worein
dann diese Schichten versetzt wurden, ist von dem
welchen wir in unsern Gebürgen bemerken, in weiter
nichts verschieden, als daß sie wegen der wiederhol
ten Einsenkungen zu einem tiefer liegenden Stock-
werk von Ruinen gehören.

26.

Die Entstehung der Kreite ist eine Operation
die ich ebenfalls in die nemliche Periode setze. Allein
[Seite 33] ohngeachtet ich sie nach der Entstehung der Stein-
kohlen
abhandle, so behaupte ich dach keinesweges
(wie ich mich deshalb schon in meinem vorigen Briefe
gegen Sie erklärt habe) hierin eine bestimmte Zeit-
folge zu beobachten. Diese Zeitfolge ist in jeder
Gegend ganz genau sowohl durch die Abwechselung
der verschiednen Schichten, als durch die Anzeigen
von succeßiven Zufällen bezeichnet. Die nemliche ab-
wechselnde Folge ist auch an vielen Orten eben so
wiederholt; nur ist sie doch nicht allgemein; sondern
man trifft an andern dazwischen liegenden Gegenden
andre mehr oder weniger wiederholte Arten von der-
gleichen Folgen an, die mit Denkmählern von beson-
dern Wirkungen untermengt sind. Also blos anhal-
tende Beobachtung kann uns dahin führen über dieses
Chaos, dessen physische Ursachen ich angegeben habe,
weiteres Licht zu verbreiten.

27.

Ich will hier nicht wieder auf die schlechterdings
widerlegte Meynung derjenigen zurückkommen, die
gemeynt haben, daß unsre Kalkschichten aus Re-
sten von Seethieren entstanden wären; sondern
mich blos an den Nebensatz halten, als ob die Kreite
der erste Uebergang sey, aus welchem jene Seethiere
erst in Kalkstein umgewandelt worden wären. Eine
Veränderung die man blos für eine durch die Länge
[Seite 34] der Zeit bewürkte Verhärtung gehalten hat. Al-
lein hierin liegt, wie ich sogleich zeigen werde, ein
andrer Irrthum. Denn 1stens habe ich Gegenden
gesehn, wo man genau die Art und Weise beobachten
kann, wie die Kreite über dem Kalkstein auf-
liegt; das sind nemlich große Profildurchschnitte die-
ser Schichten, die entweder schroffe Wände an
einigen Hügeln, oder Klippen an den Seeküsten
bilden: Und da bemerkt man, daß die unterste Krei-
tenschicht,
die unmittelbar auf dem Kalkstein
aufliegt, ihrer Substanz nach in nichts von allen
andern dasigen oder sonstigen Kreitenschichten
unterschieden ist; und daß wiederum die oberste
Kalksteinschicht, die sie berührt, ebenfalls allen übri-
gen Schichten von derselben Masse gleich ist: so daß
diese beiderley Classen ohne alle Mittel-Nuançen ge-
gen einander abstehen. – 2tens enthält zwar jede
dieser beiden Classen von Schichten versteinte See-
körper,
aber die in beiden sehr von einander ver-
schieden sind: denn so findet man, um nur ein ein-
ziges Beyspiel anzuführen, die Menge von Ammons-
hörnern
im Kalkstein, die sich hingegen nicht
mehr in der Kreite finden: woraus denn geradezu
erhellt, daß die Meeresflüßigkeit zu der Zeit da
diese letztern Niederschläge erfolgten, eine wesent-
liche Veränderung erlitten haben muß. – 3tens
ist es endlich ein Charakter der Kreite, daß er eine
Menge Feuerstein enthält, womit entweder die
[Seite 35] Zwischenräume zwischen manchen ihrer Schichten
gleichsam wie gepflastert sind, oder der in ihrer
Masse einzeln zerstreut ist. Diese harte Steinart
aber würde sich auch in dem darunter liegenden Kalk-
steine
finden, wenn dieser nichts weiter als eine
Kreite von höherm Alter wäre. Allein man findet
sie nicht daselbst.

28.

Ich habe im 18ten und 24sten meiner Briefe im
Iournal de Physique ein meine Gründe angegeben,
warum ich glaube, daß der Feuerstein eine locale
Umwandlung der Kreite selbst ist, die durch irgend
eine, vor der Hand unbekannte Ursache bewürkt
worden. Ich führe dieß hier blos an Eben dieß
thue ich auch in Betreff eines andern Punkts, den
ich im 13ten jener Briefe, und früher schon in mei-
nen Briefen, über die Geschichte der Erde und
des Menschen
festgesetzt habe; nemlich daß alle
die Feuerstein-geschiebe, die man in so vielen Ge-
genden des aufgeschwemmten Landes auf der
Oberfläche unsers festen Landes findet, ebenfalls ur-
sprünglich in Kreitelagen gebildet worden. Daher
scheint es, nach diesem letztgedachten Phänomen, daß
sich in spätem Zeiten, nachdem jene Schichten schon
gebildet waren; an einigen Stellen in der Flüßig-
keit
Veränderungen zugetragen haben, wodurch diese
[Seite 36] in Stand gesetzt wurde jene aufzulösen, ohne daß
sie doch hätte zugleich den Feuerstein angreifen kön-
nen, der folglich auf dem damaligen Meeresboden
liegen blieb.

29.

Ich glaube nicht, daß es nöthig seyn wird, hier
auf die Betrachtungen zurück zu kommen, nach wel-
chen es augenscheinlich ist, daß die chemischen Ope-
rationen durch welche unsre Erdkugel zu dem Zustand
gelangt ist, worin sie sich gegenwärtig befindet, nicht
anders als nur in allgemeinen Charakteren denenjeni-
gen ähneln können, die wir heutigestages sich ereig-
nen sehen. Was daher auch jene Auflösung der
Kreite in derselben Flüßigkeit betrifft, worin sie
doch erst entstanden war, so ist es genug, wenn ich
sage, daß in mehrern bekannten Fällen, beynah un-
merkliche Veränderungen in einer Flüßigkeit, die
nemliche Würkung hervorbringen.

Modificationen derselben Art in der Flüßigkeit,
können in der Folge durch anhaltende Beobachtung
Aufschluß über mehrere andre besondre Phänomene
geben, die jetzt noch schwierig scheinen; und ich wer-
de sogleich ein andres Beyspiel davon an den Stein-
salz
-flözen geben.

30.
[Seite 37]

Dieses, so offenbar blos particulare Phänomen
hat demohngeachtet (so wie das der Vulkane) geo-
logische
Systeme veranlaßt, nach welchen, da man
an keine andre hervorbringende Ursache für dieses dem
Meersalze so ähnliche Salz dachte, als das blosse
Verdampfen einer gewissen Menge von Seewasser;
und man doch Steinschichten zwischen den Stein-
salzlagen
fand; man für nöthig hielt, vorauszuse-
tzen, daß das Weltmeer unser festes Land zu
verschiednen Malen überschwemmt habe.

Ich habe aber im 24sten meiner Briefe im
Iournal de Physique gezeigt, daß diese Idee vom
Verlaufen und wiederum Uebertreten des Meeres
allen Factis widerspricht: und habe hingegen gewie-
sen, daß es sich sehr gut mit der allgemeinen Chemie
reimt, daß jenes Salz im Meere selbst durch eini-
ge Local-Veränderungen in seiner Flüßigkeit, nie-
dergeschlagen worden. Auf diesen Niederschlag er-
folgten welche von andrer Art, die dann Stein-
schichten
hervorbrachten: und nachdem nun diese
zweyerley Schichten an einigen Orten abgewechselt
hatten, so wurden die Salzlagen von der drüber
liegenden Steinlage geschützt, daß die Flüßigkeit
die nun jetzt von der Beschaffenheit war, daß sie die
erstern hätte auflösen können, doch nicht auf selbige
würken konnte.

31.
[Seite 38]

Dieß Phänomen ist also im Grunde in nichts
von dem allgemeinen Phänomen der Entstehung aller
unsrer Gebirgschichten verschieden; und ähnelt in
dem was es besonders hat, nemlich eine Verände-
rung des Zustandes der Flüßigkeit wodurch diese
in den Stand gesetzt ward einen Stoff wiederum
aufzulösen, der sich vorher durch Niederschlag
in ihrem Schooße gebildet hatte, dem Phänomen der
aufgelößten Kreite, die uns ihren Feuerstein zu-
rückgelassen hat.

Endlich finden sich auch diese abwechselnden Salz-
und Steinschichten im gleichen Falle mit allen an-
dern unsrer Schichten, die nachdem sie in zusam-
menhängender wagerechter
Lage gebildet wor-
den, verschiedne Catastrophen erlitten haben; so,
daß die Steinsalzschichten sich eben so wie die
von Steinkohlen und foßilen Holze (tourbe
fossile
) in den Ruinen finden, die alle die Erha-
benheiten
aus unserm festen Lande bilden, und
sich, in dieser Unordnung unter andern Schichten
hin erstrecken, welche dann die folgende Periode
auszeichnen.


Sechste Periode.
[Seite 39]
32.

Ich setze den Anfang dieser neuen Periode in
die Zeit, wo der grössere Theil der Steinschichten
nachdem sie gebildet worden, auch schon die Cata-
strophen erlitten hatten, deren ich in den vorherge-
henden Perioden gedacht habe.

Die Niederschlage die nun noch in der Flüßig-
keit
abgesetzt wurden, erzeugten fast gar keinen solchen
Stoff weiter, der durch seinen Aufenthalt auf dem
Meeresboden hätte können zu festen Schichten
gebildet werden: sondern blos mancherley Arten von
lockern Staub; kalkartigen, thonichten, eisenschüs-
sigen, und Sand. Ich habe in meinem ersten Brie-
fe gezeigt, daß auch alle diese Lagen, so wie die
vorhergehenden, unmittelbare Produkte des alten
Meeres sind. Was die Gerölle (graviers) be-
trifft, die sich dazwischen finden, so stammen die von
Feuerstein wie ich oben gesagt habe, von aufgelöß-
ten Kreitenschichten; und die so aus Trümmern
von Steinschichten zumahl von primitiven, be-
stehen, stammen von Revolutionen die der Meeres-
boden
so oft erlitten hat, und wovon wir bald neue
Anzeigen sehen werden. Ich habe diesen Gegenstand
in den obgedachten Werken ausführlicher abgehandelt.

33.
[Seite 40]

Die Schichten aus dieser Periode, nemlich
das ausgeschwemmte Land auf der Oberfläche
unsers festen Landes, bedeckten die darunter lie-
genden Steinschichten in der Unordnung worin sie
schon waren, ausgenommen auf den Bergen, deren
mehrere Inseln geworden waren. Doch findet man
auch hin und wieder in den Ebnen, kleine, von
Steinschichten gebildete Berge, die nicht vom
aufgeschwemmten Lande bedeckt sind; und an-
dre, die zwar damit überzogen worden deren Kuppe
aber doch sehr nahe unter der Oberfläche liegt. Diese
Steinmassen sind Ruinen, deren zerbrochne Schich-
ten
sich nach allen Richtungen hinsenken. Auch
hier ist das allgemeine Interesse, der Geologie zu
statten gekommen; man sucht diese zerstreuten Mas-
sen in Sandländern auf um sie zu Bausteinen zu
benutzen; und Hr. von Dolomieu hat uns davon
ein sehr merkwürdiges Beyspiel aus Nieder-Ae-
gypten
gegeben, und uns belehrt; daß sich im
dasigen Sande, der, wie er erwiesen hat, älter ist
als der Nil oder als irgend einer von unsern Flüs-
sen,
hier und da Kalkfelsen erheben, deren
Schichten sich unter dem Sand hin erstrecken,
und daß bey diesen Felsen, eben weil sie Bausteine
liefern, auch die allerältesten Städte jenes merkwür-
digen Landes angelegt worden.

[Seite 41]

Und wenn man nun in vielen Ländern diese Kup-
pen der unterirdischen Berge unter dem Boden
verfolgt, so sucht man daselbst, eben wie in den
Steinkohlen-gruben und in den Steinsalz-wer-
ken, daß die Grundlagen unsrer mit aufgeschwemm-
ten Land
bedeckten Hügel und Ebnen, eben so wie
die zu Tage herausragenden Berge, aus Ruinen
von Steinschichten bestehen.

34.

Das aufgeschwemmte Land selbst hat bevor
es von dem Meere verlassen worden, und wahr-
scheinlicherweise auch noch während dieser großen Re-
volution, verschiedne Catastrophen erlitten. Die
Anzeigen davon geben die schroffen Flächen an so
vielen Hügeln, welche große Durchschnitte dar-
stellen, die entweder ganz, oder doch mehr oder we-
niger beträchtliche Partieen in ihrer Höhe, aus auf-
geschwemmten Lande
bestehen. Im letztern Fall
findet man unter dem aufgeschwemmten Lande
den nemlichen Durchschnitt in den Steinschichten
fortgesetzt, die folglich zusammt allen ihren drunter
liegenden, die gleiche Catastrophe mit erlitten haben.
Man kann keinen Augenblick bezweifeln, daß dieß
nicht die Würkungen der letzten Einsenkungen
seyn sollten, die daselbst die ganze Masse der sämmt-
lichen Schichten erlitten hat. Ich habe dieses
[Seite 42] Phänomen mit allen seinen Modificationen in vielen
Ländern beobachtet, und immer war es augenschein-
lich, daß es gar keine andre Ursache haben konnte:
auch zeigt es übrigens alle andre Kennzeichen die auf
dieselbe hindeuten. Das auf diese Weise zerrißne
aufgeschwemmte Land ist oft zusammt seinen Un-
terlagen sehr schräg gesenkt; und fast durchgehends,
so wie unsre Kalkgebirge mit großen und kleinen
Trümmern von primitiven Gebirgsschichten
durchsäet, die während dieser partiellen Einstür-
zungen
der ganzen Schichten-Masse bis hinunter
zum Granit, durch die hefftigen Ausbrüche der
ausdehnbaren Fluidorum aus dem innern her-
ausgetrieben worden.

35.

Ein andres Phänomen, welches unter unsern
geologischen Denkmalen diese Periode charakterisirt,
besteht in den Resten von Landthieren die im
aufgeschwemmten Lande ihr Grab gefunden ha-
ben; die erste Spur von der Existenz dieser Art
Thiere auf unsern Planeten.

Ich habe schon in meinem ersten Briefe gezeigt,
daß dieses Phänomen zu denjenigen gehört, die offen-
bar erweisen, daß unser festes Land von keinem
hohen Alter seyn kann; wenn man erwägt, in wel-
[Seite 43] chem Grad die Leichen dieser Thiere, in Erdlagen
erhalten haben, die gar nicht tief sind, und aus
lockern Stoffen bestehen, die unaufhörlich vom Re-
genwasser durchzogen werden, um uns Quellwasser
zu liefern.

Wenn man also die Entfernung der Zeit be-
stimmen will, da diese Leichen in jene Lager gekom-
men sind, in welchen wir sie nun finden: so muß
man für einen Augenblick vergessen, daß hier von
Rhinocern, Elephanten und Nilpferden die
Rede ist, die einst zugleich mit den Ochsen, Hir-
schen
und andern vierfüßigen Thieren in unsern
Climaten gelebt haben müssen; denn, obschon diese
auffallende Gesellschaft ein großes Phänomen ist, so
ist doch die Ursache davon, wie ich zeigen werde,
bey weitem nicht in der Länge der Zeit zu suchen.

36.

Diejenigen die gemeynet haben, daß die Ele-
phanten
und Rhinocer nach dem ordentlichen
Lauf der Dinge auf unsrer Erde, sich nach Süden
gezogen hätten, haben den Aufschluss dazu in der
Idee zu finden geglaubt, daß sich dieselbe allmählig
abkühle, und daß, weil die Sonne ihre Wärme
zwischen den Wendzirkeln länger behauptet hätte,
diese Thiere, die Anfangs im Norden gelebt, all-
[Seite 44] gemach nach jenen Zouen hingewandert wären,
die sie nun jetzt bewohnen.

Allein dieß war eine sehr grundlose Hypothese.
Denn so wie die ganze Reihe von Beobachtungen
noch nicht das geringste Zeichen von einer solchen
Abkühlung unsrer Erde gewiesen hat; so giebt es
auch durchaus keine Grenze für die Zeit, die man
zu einer solchen Umwandlung in der Temperatur
annehmen mußte; da hingegen der Grad von Con-
servation der Leichen von welchen die Rede ist,
sehr eingeschränkte Grenzen für die kurze Zeit giebt,
die seit dem verflossen seyn kann, seit diese Thiere
in unsern Climaten lebten.

37.

Doch mir gehn zum wahren Phänomen über.

Sollte wirklich eine solche langsame Auswan-
derung
der Elephanten und Rhinocer von
Norden nach Süden statt gehabt haben, so müß-
te unser festes Land selbst zu der Zeit existirt ha-
ben, als diese Thiere in unsrer Breite lebten; und
diese müßten so von einem Land ins andere bis end-
lich in die so sie jetzt bewohnen, marschiert seyn.
Und das setzt man denn auch würklich voraus. Nun
aber finden sich ihre Leichen in Schichten die zu-
gleich auch Reste von Seethieren enthalten; folg-
[Seite 45] lich bedeckte ja das Meer noch unsre Länder zur Zeit
da diese vierfüßigen und heutigestages für uns
exotischen Thiere hier gelebt haben sollen; was
denn schlechterdings der eingebildeten Wande-
rung,
wenigstens auf unserm festen Lande, wi-
derspricht.

Sondern es begegnete damals, in jener Perio-
de,
den Landthieren, was in der vorhergehenden
den ungeheuern Massen von Vegetabilien wieder-
fahren war. Diejenigen, die solche Inseln be-
wohnten, deren Boden noch keinen festen Grund
hatte, wurden bey den Catastrophen derselben begra-
ben; einige derselben retteten sich durch Schwimmen
nach andern Inseln; und die so dabey unterwegs
verunglückten, oder die deren Leichen schon auf
den Inseln ihr Grab gefunden hatten, sind es die
wir nun in unsern Erdlagen antreffen.

Es hat sich also eine große Revolution auf
unserer Erde seitdem zugetragen, seit diese Thiere in
unsern Breiten lebten: und eben in dieser Revo-
lution
kann man den Grund finden, warum sie nun
jetzt nicht mehr daselbst leben: ich werde dieß erklären.

38.

Man darf dieses Phänomen ja nicht mit dem,
der großen Menge von Knochen verwechseln, die
[Seite 46] man in einigen Berghölen antrifft. Ich hatte die-
sen Irrthum in meinen Briefen über die Geschichte
der Erde und des Menschen
bey der Beschrei-
bung der Scharzfelder-Hole begangen. Aber ich
habe ihn im 14ten meiner Briefe im Iournal de
Physique
verbessert. Dieses letztere Phänomen un-
terscheidet sich vom vorigen ganz wesentlich dadurch,
daß die Knochen hier in Stalactit-Massen ver-
graben liegen; zum Erweis, daß sie zu der Zeit
dahin gelangt seyn müssen, als diese Hölen schon
über der Meeres-fläche erhoben waren. Ich habe
in dem nemlichen Briefe auch die Gründe angege-
ben die mich glauben machen, daß diese Hölen In-
seln
zugehörten, die seitdem die Kuppen unsrer Hü-
gel und Berge geworden sind, und daß sie damals den
vierfüßigen Thieren, zumahl den Amphibien
dieser Classe zum Ablager dienten: ich habe zum
Beyspiel gewisse Stellen an den Schottischen Küsten
angeführt, wo dasselbe noch jetzt geschieht: zumahl
ziehen sich die Robben in diese Hölen wenn sie trank
sind, und sterben darin.

Jene alten Hölen waren also auch gleichsam die
Kirchhöfe für diejenigen Thiere, welche die Inseln,
denen dieselben zugehörten, damals bewohnten oder
besuchten: und nur hierdurch kann man sich die unge-
heure Menge von Knochen fremder Thiere erklären,
die man nun daselbst im Stalactit vergraben und
damit überzogen findet.

39.
[Seite 47]

Da ich mich hier der Epoche nähere, wo die or-
ganisirten Körper
unsrer Erde zu dem Zustand
gelangten, worin sie sich noch gegenwärtig befinden,
so muß ich zum voraus erinnern, daß es nicht meine
Absicht gewesen ist in diesen Briefen von ihrem Ur-
sprung
zu handeln; dieß ist ein zu großer Gegen-
stand als daß er in der Kürze abgethan werden
könnte; ich habe aber eine eigene Abhandlung dar-
über aufgesetzt, die ich bey einer andern Gelegenheit
besonders herauszugeben gedenke. Ich schränke mich
also hier blos auf die Bemerkung ein, daß die Re-
ste sowohl von Land- und See-Thieren, als von
Vegetabilien die wir in den letzten Erdlagen fin-
den, welche im Meere entstanden waren, ehe es un-
ser festes Land verlassen hatte, den jetzt lebenden
Gattungen fast vollkommen ähneln; und daß der
einzige beträchtliche Unterschied den man dabey be-
merkt, der ist, daß die Veränderung der Breite die
wir bey einigen vierfüßigen Thieren bemerken,
sich auch bey mehrern Gattungen von See-Thieren
findet.

40.

So hin ich endlich durch die geologischen
Denkmale
und durch den Gang der physischen
[Seite 48] Ursachen zum Ende der 6ten von denjenigen Pe-
rioden
gelangt, in welche ich den ganzen Ver-
lauf der Operationen eingetheilt habe, die durch den
Beytritt des Lichts zu den übrigen Stoffen, wor-
aus die Erde zusammengesetzt war, ihren Anfang
nahmen; so wie ich zum Schluß dieser Perioden
die Epoche annahm, wo das Meer im Begriff stand
sein vormaliges Bette zu verlassen.

Ich habe beym Eingange gesagt, daß diese sechs
Perioden sich auf die im ersten Capitel des er-
sten Buchs Mosis
beschriebnen sechs Schö-
pfungstage
beziehen: und doch bin ich im Ver-
folg meiner Darstellung nicht weiter daraus zurück-
gekommen, weil es sich von selbst halten muß. Wenn
aber einsichtsvolle Philosophen ihre Aufmerksamkeit
mit Ernst auf die Uebereinstimmung richten werden,
welche zwischen den charakteristischen Umständen jedes
dieser Schöpfungstage und demjenigen
vorwaltet, was sich auf unsrer Erde in den correspon-
direnden Perioden zugetragen hat, und was
durch offenbar vor Augen liegende Denkmale er-
wiesen ist, so werden sie einsehn, daß die Natur
selbst diesem erhabnen Bericht huldigt.

41.

Nur über einen einzigen Umstand geben diese
Denkmale kein Zeugniß, und das ist die Schöpfung
[Seite 49] des Menschen in der 6ten Periode, da noch kein
fossiles Menschengerippe in unsern Erdlagen
gefunden worden. Allein hieraus läßt sich weiter
nichts folgern, als, daß die damaligen Menschen,
wenn es anders deren gegeben hat, nicht so wie
andre Thiere und wie die Gewächse auf die über-
schwemmten
Inseln gezogen, sondern auf ihrem
damaligen festen Lande geblieben waren, und
daß sie zugleich mit diesen erst in einer folgenden
Revolution untergegangen sind, in welcher jenes
feste Land plötzlich einsank, so daß jener Theil
der Erdkugel vom Meere überschwemmt, und dage-
gen unser jetziges festes Land von demselben ver-
lassen ward.

Dieß wird den Gegenstand meines nächsten Brie-
fes ausmachen.

Ich beharre. etc. etc.


Notes
*).
[Seite 26]

bituminösen Holz oder der Braunkohle.



Blumenbach, Johann Friedrich and Deluc, Jean André. Date:
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