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Abbildungen
naturhistorischer Gegenstände

8tes Heft
Nro 71–80.

Göttingen
bey Heinrich Dieterich.
1805
.

[[2]]

[[3]]

Durch ein kleines Versehen ist im vorigen Heft
bey Erklärung von Tab. 68. anzuzeigen vergessen
worden, dass auf dem Kupfer durch die Buchstaben
a b c die schmale rippenförmige ungepaarte Schale
bezeichnet ist, die zur Verbindung der beyden Paare
von flachen Schalen der Entenmuschel dient.


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71.
SCIVRVS VOLANS.
Das fliegende Eichhörnchen.

[[5]]
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Figure 1. 71. Sciurus volans
[interleaf] [[7]]

Unter einigen Geschlechtern von vierfüssigen
Säugethieren, namentlich unter den Eichhör-
nern und Beutelthieren, zeichnen sich mehrere
Gattungen durch ein eigenes zu den Bewe-
gungswerkzeugen gehöriges Organ, nämlich
durch eine Verlängerung der Haut, aus, die
sich zu beyden Seiten des Leibes von den Vor-
derfüssen nach den hintern erstreckt. Die Füsse
selbst, und besonders die vordern, haben übri-
gens die den übrigen Gattungen der gedachten
Geschlechter zukommende verhältnissmässige
Grösse und Bildung, mithin ist auch jene Haut
gänzlich von der zwischen den ungeheuer lan-
gen und schlanken Fingern der Fledermäuse
verschieden, dient auch folglich nicht, wie bey
diesen, zum Flug, sondern lediglich statt eines
Fallschirms, um bey weiten Sätzen von der
Höhe herab, durch die dabey ausgestreckten
Beine entfaltet zu werden, und dadurch die
Heftigkeit des Falles zu mindern.

[[8]]

Die hier nach einem überaus schönen Exem-
plar (womit Hr. Baron von Wolff aus Liefland
meine Sammlung bereichert hat,) abgebildete
Gattung von fliegenden Eichhörnchen (Büffon’s
Polatouche) findet sich in einer weiten Strecke
der nördlichen alten Welt, in Finnland, Liefland,
Polen, Russland und Sibirien, ist ein animal
necturnum
, nicht viel kleiner als das gemeine
Eichhorn, aber zarter gebaut, und Jahr aus
Jahr ein von bläulich grauer Farbe, nur am
Bauche weiss.

Besonders merkwürdig ist an diesem netten
Geschöpf ein eigner grätenförmiger an der
Wurzel der Vorderpfoten eingelenkter Knochen,
der sich vorn in die Seitenhaut erstreckt, zur
Spannung derselben dient, und in so fern
doch einige, wenn gleich nur entfernte, Aehn-
lichkeit mit dem gedachten Bau in der Flatter-
haut der Fledermäuse zeigt.


72.
SOREX FODIENS.
Die Wasserspitzmaus.

[[9]]
Textabbildungxxx
Figure 2. 72. Sorex fodiens.
[interleaf] [[11]]

Ein hieländisches, wie es scheint an sich nicht
eben seltenes, aber doch wegen seiner Lebens-
weise wenig bekanntes Thier, daher es denn
auch erst in der zweyten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts von dem um Zoologie und Zoo-
tomie so unendlich verdienten Daubenton
entdeckt worden.

Diese hier in Lebensgrösse abgebildete Was
serspitzmaus ähnelt in der Zartheit des oben
graulich schwarzen am Bauche fast silberweissen
und seidenartig glänzenden Felles dem Maul-
wurf; lebt meist in Uferlöchern an Teichen
und Bächen, von welchen sie sich selten ent-
fernt, so dass sie mehr ein eigentliches Was-
serthier ist, als die sogenannte Wasserratte
(Mus amphibius). Am öftersten lässt sie sich in
farmen Mittagsstunden im Wasser sehen, wo
sie mit ausnehmenden Geschick und Schnellig-
[[12]] keit schwimmt, und eben desshalb schwer zu
fangen ist.

Zu diesem Aufenthalt im Wasser ist sie mit
zweyerley überaus sonderbaren Organen verse-
hen, die desshalb in den untern Nebenfiguren
noch besonders vorgestellt sind. Nämlich mit
einer gar merkwürdigen hier (– a –) stark ver-
grösserten Klappe in der Oeffnung des äussern
Gehörgangs, um diesen, so lange das Thier un-
ter Wasser ist, zu verschliessen (– s. Handb.
der vergleichenden Anat.
pag. 363 –); und mit
kurzen steifen etwas platten Borsten an beyden
Seitenrandern der Zehen, die, wenn sich diese
beym Schwimmen aus einander legen, gleich-
sam die Stelle einer eigentlichen Schwimm-
haut vertreten. Bey b sind diese an einem we-
nig vergrösserten Hinterfuss deutlich zu sehen.


73.
PHOCA VITVLINA.
Der Seehund, die Robbe.

[[13]]
Textabbildungxxx
Figure 3. 73. Phoca vitulina.
[interleaf] [[15]]

Weite öde, fast vegetationslose Küstenstrecken
und benachbarte Inseln der nordlichsten Erde, wo
jetzt, und seit wer weiss wie langen Reihen von
Generationen unzählbare Familien von Polarvöl-
kern hausen, müssten bey dem fast ewigen und
freist furchtbar strengen Winter, der dort herrscht,
durchaus unbewohnbar seyn, wenn nicht die
wohlthätige Hand der Natur sie mit zwey Ga-
ben gesegnet hätte, die überflüssig hinreichend
sind, die dringenden aber wenigen Bedürfnisse je-
ner einfachen Naturmenschen zu befriedigen. –
Treibholz und Seehunde. – Jenes noch immer
ein ungelöstes Räthsel für die physische Erd-
beschreibung, besteht aus Lasten von grössern
und kleinern Stämmen, meist von Nadelhölzern,
zumahl Lärchen, Tannen etc., aber ohne Wur-
zeln, Zweige und Rinde, die tagtäglich durch
die Fluth da angetrieben und theils wie zu
mächtigen Haufen aufgethürmt werden. – Diese,
[[16]] die Seehunde, ein Geschlecht von mancherley
Gattungen, wovon aber die hier abgebildete,
die ungefähr gegen 6 Fuss lang wird, in den
nördlichen Meeren die gemeinste ist. Die Zeich-
nung, die nach ein Paar ausgestopften in mei-
ner Sammlung gemacht worden, hat durch ge-
naue Vergleichung mit mehreren lebendigen,
die hier zur Schau gewesen, selbst Leben und
Ausdruck erhalten.

Ueber die Lebensweise und vielfache und
grosse Benutzung dieses Thieres, von welcher
die ganze Subsistenz eines der wunderseltsam-
sten Völker der Erde, der Grönländer, abhängt,
verweise ich lediglich auf den classischen Histo-
riographen derselben, Dav. Cranz, dessen Werk
ohne Widerrede zu den interessantesten und
unterhaltendsten ihrer Art gehört, die je geschrie-
ben sind.

Ein Leben ohne Seehunde ist den Grönlän-
dern so undenkbar, dass sie nach der Versiche-
rung des Bischofs P. Egede, nachdem ihnen
von den Missionaren die Glückseligkeit des Him-
mels aufs beste gepredigt worden, vor allen
Dingen fragen: ‘“also doch auch Seehunde
vollauf da?”’


74.
BALAENA ROSTRATA.
Einer der verschiedenen Finnfische.

[[17]]
Textabbildungxxx
Figure 4. 74. Balaena Rostrata.
[interleaf] [[19]]

Unter den eigentlichen Wallfischen, die näm-
lich gänzlich zahnlos, dagegen aber im Ober-
kiefer mit den Barden von Fischbein versehen
sind, haben einige Gattungen ausser den Brust-
und Schwanzflossen (wovon nur die erstern eine
knöcherne Grundlage enthalten, welche im
Ganzen der in den vordern Extremitäten des
Robben-Gerippes ähnelt,) auch gegen Ende des
Rückens noch eine Art von Flosse, wesshalb
diese ganze Familie des Balänengeschlechts mit
dem gemeinschaftlichen Nahmen der Finnfische
belegt wird.

Von diesen ist die hier abgebildete Gattung
nach einem frischen volle 52 Fuss langen weib-
lichen Thiere gezeichnet, das ich im Dec. 1791
an der holländischen Küste zwischen Sandfort
und Wyk of Zee gestrandet zu sehen das seltene
Glück gehabt habe. Da dieser Wallfisch wenig
Thran giebt und seine Barden nichts taugen,
so ward er nur für 245 Gulden versteigert. Von
Farbe war er schwarz und weiss gemarmelt, doch
an vielen Stellen mit grossen rothen Flecken
untermengt.

[[20]]

Das wundersamst Auffallende an dem unge-
heuren Geschöpf waren aber die 64 äusserst re-
gelmässigen parallel gefurchten, und mit eben so
geraden erhabenen Leisten abwechselnden Haut-
Streifen, die von der Kehle längs der Brust nach
dem Bauche liefen und vollkommen den Hohl-
kehlen in einer cannelirten Säule ähnelten, nur
dass hin und wieder auch benachbarte Streifen
durch schräglaufende Zwischenleisten mit einan-
der verbunden waren (gleichsam anastomosirten).
Die Furchen roth, die Leisten schwarz. Diesen
sonderbaren Bau hat diese Wallfischgattung mit
einigen andern (der Balaena rostrata und muscu-
lus
) gemein, und er soll dazu dienen, die Aus-
dehnung eines grossen, dicht hinter – oder nach
der natürlichen Lage dieser Thiere eigentlich
über – der Haut befindlichen Schlauches zu er-
leichtern, der sich in den Rachen öffnet, des-
sen wahre Bestimmung aber vor der Hand noch
nicht aufgehellt ist.

Ueber einen besondern in der Abbildung an-
gedeuteten Theil muss ich die Leser auf das Hand-
buch d. vergleichenden Anatomie
S. 455 verweisen.

Die untere Figur, welche die kurzen Barden
des Thiers im offenen Rachen zeigt, ist aus Sie-
bald’s
phalainologia noua entlehnt.


75.
STRIX NYCTEA.
Die Schnee-Eule.

[[21]]
Textabbildungxxx
Figure 5. 75. Strix nyctea.
[interleaf] [[23]]

Nebst dem Uhu die grösste und bey weitem die
schönste Gattung ihres Geschlechts. Milchweiss,
mit bräunlichen an der Brust wellenförmig ge-
banderten Flecken. Der Schnabel schwarz, der
Augenstern orangengelb. Meist nur in den
nördlichsten Zonen beyder Welten. Gegen die
Weise anderer Eulen geht diese auch am Tage
ihrer Beute und zwar vorzüglich den Hasen
nach, daher ihr schwedischer Nähme Harfaeng,
unter welchem sie auch Büffon beschreibt, der
aber das hier zu Lande überaus seltene Ge-
schöpf nicht selbst zu sehen Gelegenheit gehabt.

Pennant’s Vermuthung, dass die Sage der
Alten von einer im Finstern leuchtenden auis
hercynica
durch die Schnee-Eule veranlasst wor-
[[24]] den, ist äusserst unwahrscheinlich. Schwerlich
ist diese je in der sylua hercynia gesehen worden;
und ihr Gefieder nichts weniger als resplendent,
wie er es nennt. – Die Gründe, warum ich
die ganze Erzählung vom leuchtenden Vogel
vielmehr auf die Zipdrossel (Turdus iliacus)
deuten möchte, habe ich im Handbuch der Na-
turgeschichte
angegeben.

Die Zeichnung ist nach einem prachtvollen
ausgestopften Exemplar aus Sibirien verfertigt,
das sich unter den reichen Aschischen Geschen-
ken im academischen Museum befindet.


76.
CERTHIA MVRARIA.
Der Mauerspecht.

[[25]]
Textabbildungxxx
Figure 6. 76. Certhia muraria.
[interleaf] [[27]]

Gar ein bedeutender Unterschied ist es in der
eigentlichen Naturgeschichte (diess Wort im Ge-
gensatz der blossen Naturbeschreibung genom-
men,) ob Geschöpfe in ihrer Heimath, – (die
mag nun noch so weit über die Erde ausge-
dehnt, oder noch so enge wie auf einen Win-
kel derselben beschränkt seyn,) – eine grosse,
oder aber eine kleine Gattung ausmachen, je
nachdem sie entweder wie bey den Sperlingen
in zahllosen, oder hingegen wie in dem lieb-
lichen kleinen Vogel, der hier abgebildet ist,
vergleichungsweise nur in wenigen Individuen
existiren.

Dieser, der Mauerspecht, (der auf 2/3 seiner
Länge und Breite reducirt, nach einem vorzüg-
lich schönen Muster gezeichnet ist, das ich der
Güte des verdienstvollen Hrn. Oberforstmeister
von Wildungen verdanke,) gehört daher zu
den seltensten deutschen Vögeln, weil er auch
[[28]] da, wo er im südlichen Deutschland, so wie in
der Schweiz einheimisch ist, doch nur in gerin-
ger Zahl sich findet, da er einsiedlerisch am
liebsten in ödem Gemäuer, auf Thürmen etc.
haust.

Die oft wiederhohlte Sage, als ob er nah-
mentlich auch in Menschenschädel zu nisten
pflege, (– nidificat in craniis sagt Linné –)
reducirt sich meines Wissens bloss auf die ein-
zelne Erfahrung des jüngern Kramer, der das
einmahl in Unterösterreich auf dem Medlinger
Kirchhofe bemerkt hat, und es ist freylich eben
so denkbar, dass solch ein Vogel in eine Hirn-
schale nistet, als dass wohl eher ein Bienen-
schwarm in einen Menschenschädel gezogen ist,
und ihn vollgebaut hat; wie das z.B. Herodo-
tvs
vom Kopfe des erschlagenen Onesilus, über
dem Stadtthor zu Amathus auf Cypern, und
Purchas vom Schädel eines Gehängten erzählt,
den sein Freund, der weitgereiste Barkley in
einem Walde in Liefland von den Immen ausge-
baut fand, und sich ihren Honig daraus wohl-
schmecken liess.


77.
STRVTHIO CAMELVS.
Ein zum Auskriechen reifer, aus dem
Ey genommener Straus.

[[29]]
Textabbildungxxx
Figure 7. 77. Struthio camelus.
[interleaf] [[31]]

Der Straus, der erwachsen auf 8 Fuss hoch
wird, kriecht in der Grösse eines Rebhuhns aus
dem Ey, das, so wie es gelegt worden, gegen
3 Pfund am Gewicht hält. Jene Grösse hat das
seltene Stück aus der lehrreichen Sammlung
einer erhabenen Kennerinn der Naturgeschichte,
Ihr. Durchl. der verwittweten Fürstinn von
Waldeck, wornach gegenwärtige Zeichnung
gemacht worden. Die Jungen laufen gleich
einige Stunden, nachdem sie ausgekrochen,
ihrem Frasse nach. Daher sie auch beydes,
ihre Bewegungs- und Fresswerkzeuge, gleich
ganz auffallend stark ausgebildet und robust
mit zur Welt bringen.

Von den beyden Zehen ist, wie man offen-
bar sieht, nur die innere grosse mit einer an-
sehnlichen, wahren Kralle bewaffnet, wovon
[[32]] sich hingegen an der äussern kaum die Spur
eines kleinen Rudiments erkennen lässt, das we-
nigstens an dem ungebornen Exemplar, das
ich vor mir habe, höchstens nur durch die zu-
gespitzte Form von den dicht daran stossenden
Querschuppen zu unterscheiden ist. Diess bloss
zum Aufschluss über die einander wider-
sprechenden Angaben berühmter Naturforscher,
in Betreff des digitus exterior paruus muticus, den
Linné mit als Gattungscharacter des Straussen
anführt.

Dass die gefaltete Haut in der Nabelgegend
den Rest des Dottersackes andeute, bedarf kaum
einer Erwähnung (– vergl. im IIIten Heft
tab. 34. –).

Hingegen stellt die untere Nebenfigur eine,
meines Wissens sonst noch nicht beobachtete,
Merkwürdigkeit vor, eine der Rückenfedern
des kleinen Geschöpfs in natürlicher Grösse, an
welchen immer eine Menge Kiele, theils bis
20, aus einem gemeinschaftlichen Schafte ent-
springen.

78.
ECHENEIS REMORA.
Der Saugefisch.

[[33]]
Textabbildungxxx
Figure 8. 78. Echeneis remora.
[interleaf] [[35]]

Zu den allerinteressantesten Gegenständen für
philosophisches Studium der Zoologie, gehören
Zweifels ohne die ganz anomalisch-sonderbaren
Organe und deren Functionen, die bloss gewis-
sen einzelnen Geschlechtern oder Gattungen
von Thieren, einzig und ausschliesslich eigen
sind. Von manchen derselben, wie vom Rüs-
sel der Elephanten, dem Zitzensacke der man-
cherley Beutelthiere*) etc., liegt doch der Zweck
wozu – und die Art, wie sie nützen am Tage;
bey andern aber, wie z.B. von der Rassel der
Klapperschlangen, und der wunderbaren Schei-
telplatte des hier abgebildeten sogenannten Sau-
gefisches, ist beydes noch sehr im Dunkeln.
Seit länger als 2000 Jahren kennt man die son-
[[36]] derbare Eigenheit der Remora, eines kleinen,
selten über spannenlangen, weit verbreiteten
Seefisches der wärmern Zonen, sich mittelst der
gedachten quergestreiften Platte aufs Haltbarste
an Klippen und Schiffen; aber auch an leben-
digen Thieren, Cetaceen, Hayen etc. zu befesti-
gen. Allein der wahre Mechanismus, wie diess
mit den gleichsam gezähnelten, oder wie mit
Widerhäkchen besetzten Hinter-Rändern der 13
Paar Streifen (so viel sind ihrer gewöhnlich,)
möglich ist, bedarf durchaus erst noch näherer
Aufhellung. Ueber den abenteuerlichen Wahn
der Alten, als ob diess Thierchen im Stande
sey, mittelst derselben ein Schiff mit vol-
len Segeln in seinem Laufe zu hemmen etc.,
muss man den dadurch ganz begeisterten Pli-
nivs
, im Anfang seines XXXII. B. lesen. Dass
indess doch eine Menge dieser Geschöpfe den
Lauf eines Fahrzeuges, an welchen sie sich an-
hängen, allerdings um etwas erschweren kön-
nen, sagt unter andern einer der erfahrensten,
einsichtsvollsten Seefahrer, Dampier; und ein
verdienter Naturforscher, der den Saugfisch gut
zu kennen Gelegenheit hatte, Fortis.

Der Irrthum, da man die Remora noch
neuerlich, so wie manche andere vermeinte
pisces alepidotos, ganz ohne Grund für schup-
penlos gehalten, bedarf hoffentlich kaum erst
einer Berichtigung.

Die Zeichnung ist nach einem 3 Zoll lan-
gen Exemplar im Akademischen Museum ver-
fertigt. Die Nebenfigur hat natürliche Grösse.


79.
HYDATIS ERRATICA.

[[37]]
Textabbildungxxx
Figure 9. 79. Hydatis erratica.
[interleaf] [[39]]

Man hat gegen den von der Ernährungsweise
der Thiere hergenommenen Character der Ani-
malität, dass sie nämlich ihr Futter mittelst
merklicher willkürlichen Bewegung durch einen
Mund zu sich nehmen, manche Blasenwürmer
(Vermes hydaticos) eingewandt, die weder das
Eine noch das Andere, weder Mund noch sicht-
liche willkürliche Bewegung, und dennoch
so viele Analogie mit den allgemein für Thiere
anerkannten Hydatiden (wie z.B. mit dem im
IVten Heft tab. 39. abgebildeten Finnenwurm im
Schweinefleisch) zeigten, dass man ihnen trotz
jener scheinbaren Mängel, dennoch ihren Platz
im Thierreich schwerlich versagen dürfe.

Allein abgerechnet, dass unter den vielartigen
Hydatiden, die sich nicht gar selten bey Men-
schen und anderen warmblütigen Thieren finden,
zuverlässig gar manche sind, bey welchen an
keine eigenthümliche selbstständige Animalität
zu denken ist (wie z.B. bey den traubenförmi-
gen, worin zuweilen der Mutterkuchen bey
schwangern Frauen, oder der Eyerstock der
Hühner degenerirt): so scheint bey manchen an-
dern nur aus Mangel genauerer Untersuchung,
wenigstens das Eine der gedachten Merkzeichen,
der thierische Mund übersehen zu seyn.

Gerade das hier abgebildete Geschöpf, hat
mich auf diese Vermuthung gebracht.

[[40]]

Bey einem ganz frischen Macacco (Simia cy-
nomolgus
) den ich im vorjährigen Februar zur
Zergliederung erhielt, war ein grosser Theil der
Eingeweide von Brust und Unterleib, nament-
lieh Lungen, Leber und Netz, mit strotzenden
Hydatiden verschiedener Grösse besetzt, die
freylich von aussen durchaus keine Spur eines
Mundes oder Saugerüssels zeigten. Allein bey
näherer Beleuchtung sah ich im Innern kleine
nicht festsitzende, sondern bewegliche Körper-
chen wie Punkte durch die Blasenhaut schim-
mern, die, wie mich nachher, die nähere Unter-
suchung unter starker Vergrösserung lehrte,
selbst einzelne, jetzt schwimmende, oder
doch nur an der Blasenhaut anliegende, wahre
mit Hakenkranz und Saugemund versehene
Blasenwürmer waren, so dass die äussere ge-
meinschaftliche Blase (fast wie beym Queesen-
wurm im Hirn der dadurch an der Drehkrank-
heit leidenden Schafe,) nicht das Thier selbst,
sondern bloss das Behälter für eine ganze Fa-
milie derselben ausmachte.

Die obere Figur bildet eine solche Würmer-
blase von der Leber des Affen in natürlicher
Grösse ab.

Die 4 Nebenfiguren aber stellen eben so viele
veränderliche Formen der in dieser Blase ent
haltenen Gattung von Würmern vor, so wie
sie sich unter einer 75 mahligen Vergrösserung
des Durchmessers zeigen.


80.
MADREPORITES LENTICVLARIS.

[[41]]
Textabbildungxxx
Figure 10. 80. Madreporites lenticularis.
[interleaf] [[43]]

Der ganze grosse Werth der Petrefactenkunde
für Geologie, und überhaupt für das philoso-
phische Studium der Mineralogie, setzt vor al-
lem andern scharfe, genaue Diagnostik voraus,
um nicht etwa verschiedenartige Versteinerungen
aus der Vorwelt mit einander, oder aber mit mehr
oder weniger bloss ähnlichen Geschöpfen aus der
jetzigen Ordnung der Dinge, oder gar mit eigent-
lich so genannten Mineralien von besonderer
äusserer Gestalt, die gar nicht unter die der Petre-
facten gehören, zu verwechseln. Denn es gibt be-
kanntlich, zumahl unter den Erzen, gar manche,
die in Rücksicht ihrer eignen Form, manchen
organisirten Körpern auf den ersten Blick zum
Täuschen ähneln.

Zum Beweis mag das merkwürdige Petrefact
dienen, von welchem hier die Rede ist, das sich
in einem eisenschüssigen dichten Kalkstein bey
der berühmten, von so vielen Reisenden be-
schriebenen perte du Rhône findet, und das von
manchen für eine Art der in einem frühern Hefte
abgebildeten Linsensteine (– s. im IVten Hefte
tab. 40. –), von andern aber, und nahmentlich
[[44]] von dem sonst so scharfsichtigen de Saussure
gar für kein Petrefact, sondern für Linsenerz,
die bekannte Abart von Thoneisenstein, gehal-
ten worden.

Ein sehr verdienstvoller Mineraloge, der
jüngere Herr de Luc, dem ich ein ansehnliches
Stück des Fossils verdanke, hat beyde Irrthümer
in einer trefflichen Abhandlung im 56sten B. des
Journal de Physique widerlegt, und gezeigt, dass
dieses merkwürdige Fossil weder Phacit noch
Linsenerz, sondern eine eigene kleine porpiten-
ähnliche Art von Madreporiten ist, die sich be-
sonders durch ihre schüsselförmige Gestalt aus-
zeichnet, da ihre eine Fläche etwas gewölbt, die
andere hingegen flach ausgehöhlt ist, so dass ihr
Querbruch gleichsam ein Mondsviertel bildet;
wie diess zumahl Fig. 1. auf der angeschliffenen
Stelle eines Stücks in natürlicher Grösse und Fig. 2.
unter beträchtlicher Vergrösserung zu sehen ist.

Fig. 3. zeigt einen einzelnen von diesen Ma-
dreporiten in natürlicher Grösse.

Fig. 4. 5. die vergrösserte convexe Seite der
beyden Hauptarten, die man bey diesen Madre-
poriten unterscheidet; und

Fig. 6. die eben so vergrösserte concave
Seite derselben.


Notes
*).
[[35]]

Ich benutze diese Gelegenheit einen Irrthum zu be-
richtigen, den ich im VIten Hefte bey tab. 54. in Be-
treff des Opossum begangen, wozu mich die Autori-
tät des sonst in der Zootomie so classischen und ge-
nauen Tyson’s und mehrerer neuerer Naturforscher ver-
leitet hatte, den ich nun aber, da ich seitdem das
seltne Thier selbst zu zergliedern Gelegenheit gehabt,
aus der Natur verbessern, und durch das davon in
meiner Sammlung befindliche Präparat erweisen kann,
dass allerdings bey diesem Geschöpf, wenn es auch
nicht trächtig gewesen, dennoch drey Paar sehr regel-
mässig in einem halben Mond gereihte Zitzen in sei-
nem Saugbeutel zu sehen sind. – S. das Handb. der ver-
gleichenden Anat.
S. 506 und folg. –



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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