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Göttingische
gelehrte Anzeigen.
Unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band
auf das Jahr 1819.

Göttingen,
gedruckt bey J.C. Baier.

Paris.

[Seite 1201]

Noch waren wir die Anzeige der letztern na-
turhistorischen Lieferungen der eben so gehaltrei-
chen als prachtvollen Description de l’Egypte
schuldig. In der zweyten: 1. Herr Alire Raf-
feneau Delile
über die in Aegypten wild-
wach senden
Pflanzen. Darunter nur ein Du-
tzend dem Nilthal eigenthümliche. Ueberhaupt
in Aegypten gar wenige Land-Cryptogamisten.
Das Papierschilf ist jetzt in dieser seiner Heimath
sehr selten worden. Für die botanische Geogra-
phie sehr nützliche Verzeichnisse derjenigen Ge-
wächse, die Aegypten mit der Barbarey, und de-
rer, die es mit Syrien, Arabien und Indien,
auch Niederägypten – und zumahl um Alexan-
drien und auf den Dünen von Abukir mit dem
südlichen Frankreich gemein hat. Andre interes-
sante Bemerkungen zur Pflanzen-Physiologie.
Z.B. wie die saftigen Gewächse sich in den dür-
ren Wüsten bloß durch Einsaugung mittelst der
Blätter erhalten; wie dir dort perennirenden in
feuchtem Boden zu Sommergewächsen werden;
[Seite 1202] Wollkräuter dann ihren Sammetartigen Ueberzug
und Stauden ihr Holzgefüge verlieren.

2. Desselben Geschichte der Gewächse, die in Ae-
gypten gebaut werden. Von unsern Getreidearten
bloß Weizen und Gerste; Rocken hingegen und
Hafer wollen dort nicht gedeihen. Mais, Reiß,
die Aethiopische Hirse oder Dora (Sorghum).
Von Futterkräutern, zumahl das Trifol. alexan-
drinum
. Von Hülsenfrüchten, vorzüglich Boh-
nen als Camelfutter. Hanf, um die getrockneten
Blätter (nach der uralten Weise) wie Tabak zu
rauchen. In der Betreibung des dortigen Acker-
geräthes vieles zur Erläuterung der alten Classiker.

3. Herrn Girard’s Beschreibung des von
d’Anville sogenannten vallée de l’Egarement
zwischen dem Nil, eine Meile oberhalb Cairo,
und dem rothen Meere. Sie war seit dem treff-
lichen Sicard (1714) von keinem neuern Reisen-
den besucht. Merkwürdige geologische Folgerun-
gen, zumahl über den Ursprung der unermeßli-
chen Menge von Geröllen, so wie über den der
Salzseen, und der mit Steinsalzcrystallen und
Muscheltrümmern bedeckten Sandebnen.

4. Des Hrn. de Rozière Versuch die Aegyptischen
und Arabischen gemengten Gebirgsarten (die antiken
Granite, Porphyre, Breschen etc.) in colorirten
Kupfern darzustellen. So unübertrefflich treu
und schön, daß sich der Rec. keines anderen Ver-
suchs von ausgemahlten Abbildungen von Fossi-
lien (seit dem Museum Richterianum und
Schmiedels Erzstufen) erinnert, der mit dieser
Musterarbeit verglichen werden könnte.

5. Florae aegyptiacae illustratio, auctore A.R.
Delile
. Das Namenverzeichnis mit den Fundorten
von 1030 Gattungen. Auch eine Liste von officinellen
Früchten und Saamen aus den Apotheken zu Cairo.

6. Wieder von de Rozière. Eine mi-
neralogische Beschreibung des Thales von Qo-
[Seite 1203] ceyr, vierthalh Meilen diesseit der Ruinen von
Theben, wodurch die Arabische Bergkette unter-
brochen wird. Wahrscheinlich die aus den alten
Erdbeschreibern bekannte, aber noch von keinem
der neuern Reisenden besuchte Handelsstraße zwi-
schen Coptos und Berenice und von da zum Ha-
fen von Myos-Hormos. Unter den dasigen ge-
mengten Gebirgsarten, zumahl die eben so be-
rühmte als seltne Breccia verde d’Egitto.
(– Einige oryctognostische Berichtigungen dazu
s. in einer Vorlesung des sel. Karsten über diese
köstliche Bresche im IVten B. von Gehlen’s Jour-
nal S. 400 –) Von den daraus gearbeiteten an-
tiken Kunstwerken sey das vorzüglichste und best
erhaltne un grand Sarcophage qui étoit placé
dans une mosquée ruinée d’Alexandrie, et
qui a été emporté en Europe
. (– nehmlich
ins Brittische Museum. Es ist der sogenannte
Sarg Alexander’s aus der St. Athanasius Mo-
schee der so wie der Rosetta-Stein mit der
triglottischen Inschrift nebst andern altägypti-
schen Kunstwerken von den Franzosen genommen,
aber zu Folge der Capitulation von Alexandria
den Engländern ausgeliefert und von dem gelehr-
ten Reisenden Hrn. Edw. Dan. Clarke in einem
eigenen Werke beschrieben worden, das unser Heyne in
diesen Blättern – 1806. 17. St. – angezeigt hat.)
Beyläufig werden einige Irrthümer bey Bruce
gerügt. Was er hinter Gytah für Laven ansah,
sind Sandsteinlagen; und die Sphinge am Ein-
gange von Theben, die nach ihm aus Basalt
seyn sollten, sind von dem gleichen Sandstein
wie die Gebäude dieser alten Wunderstadt.

7. H. Geoffroy Saint-Hilaire Beschrei-
bung der Aegyptischen Fledermäuse und des Ichneu-
mons. Davon viel lehrreiches zur Naturgeschichte und
dem innern Bau der Fledermäuse überhaupt. Da
[Seite 1204] sie offenbar im System eine eigne Ordnung aus-
machen müssen, so habe der Verf. und Hr. Cu-
vier schon 1795 die Benennung Cheiroptera für
dieselbe vorgeschlagen. (– Gerade so ist diese
Ordnung auch in allen neuen Ausg. des 1779
zuerst hier erschienenen Handbuchs der N.G. be-
nannt worden –). Der Verf. theilt diese Chi-
roptera
in 15 Geschlechter (genres), welche 78
bis jetzt bekannte Gattungen (espèces) enthal-
ten, wovon aber nur achte in Aegypten einhei-
misch sind. Beym Nycteris thebaicus ist der klei-
ne Intermaxillarknochen beweglich, wie um seine
Achse; und dem Taphozous perforatus
sehlt er gänzlich. – Jenes Geschlecht der Nycte-
ren hat eine Art von Luftsäcken wie die Vögel,
aber vielmehr wie der Kugelfisch. Der Ichneu-
mon ist niemahls in Aegypten als Hausthier ge-
zogen worden. Jung eingefangne werden wohl
ziemlich kirre, bleiben aber doch dem Hausgeflü-
gel gefährlich. – Die Hyäne ist dort wenig ge-
fürchtet; und überhaupt sind die dasigen Raub-
thiere minder wild als anderwärts; was denn
selbst vom Crocodil gilt.

Die dritte Lieferung enthält 1. die Flore d’E-
gypte
wieder vom Herrn Delile; meistens Er-
klärung von 62 herrlichen Kupfertafeln, die folg-
lich hier keine speciellere Anzeige gestattet. (So
wenig als 35 eben so meisterhafte zoologische Ta-
feln, die vorläufig mit dieser Lieferung ausgege-
ben sind.) Beyläufig aber treffliche Excurse über
einige wegen ihres wichtigen Nutzens, oder auch
in Bezug auf Altertumskunde merkwürdigen
Gewächse. – So z.B. die Persea der Alten,
– Lebakh bey Abdollatiph und Makrizi – die
Schreber irrig in der Cordia myxa gefunden
zu haben meinte. Der Verf. zeigt, daß dieser
Baum ein besondres Geschlecht bilde, das er we-
[Seite 1205] gen Aehnlichkeit der Frucht mit den Myrobala-
nen Balanides nennt, und die Gattung ae-
gyptiaca
. Der weiland so berühmte Baum
war aus Aethiopien nach Aegypten verpflanzt,
aber daselbst seit der Römer Zeiten immer seltner
worden. Jetzt fand der Verf. nur einen einzigen
Stamm davon in einem Garten bey Cairo. –
Von den dreyerley im Alterthum so berühmten
Gattungen des Nymphäengeschlechts, lotus,
caerulea und nelumbo ist die letztre, die soge-
nannte Aegyptische Bohne, jetzt weder in Aegyp-
ten, noch – so viel bekannt – im übrigen Africa
mehr zu finden. Die kleine kommt auf den Ae-
gyptischen Tempelgemählden am häufigsten vor. –
Ausführlich über die Cultur der Dattel-Palme.
Die künstliche Befruchtung der weiblichen Stäm-
me (was die Alten, nach einer freylich sehr ent-
fernten Analogie mit der Procedur zur Zeitigung
der Feigen, ebenfalls Caprification nannten) ist
bey der zahmen Art durchaus nothwendig, und
da die Einwohner in dem Kriegsjahre 1800 nicht
hatten dazu kommen können, so trugen die weib-
lichen Palmen um Cairo davon zwar genug Blü-
then aber keine Datteln; unerachtet doch wohl
sicherlich von der wilden Art dieser Palmen, wo-
von sich männliche Stämme hier und da in der
Nachbarschaft finden, Blumenstaub auf die weib-
lichen Blüthen der zahmen Art geweht worden,
aber unwirksam geblieben war. Eine Dattelpal-
me kann in manchen Jahren gegen vier Centner
Frucht tragen. Jetzt sind die in Aegypten gezo-
genen Datteln vortrefflich, da sie zu Strabo’s
Zeiten diesseit Theben gar schlecht waren.

2. Von Hrn. Coutelle meteorologische Be-
obachtungen in Cairo angestellt. – Gelegentlich
ein eigner Zug von Nationalstolz: die Einwoh-
ner von Philá oberhalb der Cataracten sind voll-
kommen schwarz, ohne jedoch die Gesichtsbildung
[Seite 1206] und das Wollhaar der Neger zu haben, mit wel-
chen sie nicht verwechselt werden wollen. Der
Verf. ließ einmahl einen jener Männer fragen,
ob ihre Weiber eben so schwarz wären? und da
der Dolmetscher wahrscheinlich das Arabische Wort
gebraucht hatte, das Negresse bedeutet, so war
die Antwort – etwas aufgebracht –: ‘“sie sind
weiß wie wir.“’



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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