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Göttingische
gelehrte Anzeigen.
Unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band
auf das Jahr 1819.

Göttingen,
gedruckt bey J.C. Baier.

Göttingen.

[Seite 233]

Die Königl. Societät der Wissensch. hat von
ihrem diesen Winter von hier abwesenden Mit-
gliede, dem Herrn Prof. Hausmann, der
Seine Durchlaucht den Fürsten von der Lippe-
Detmold auf einer wissenschaftlichen Reise durch
Italien begleitet, schon vorläufig einige für die
Geologie sehr bedeutende neue Beobachtungen er-
halten, von welchen wir einstweilen nur folgende
mittheilen:

Bis Florenz (woher er dieses schreibt) hat er
in den Apenninen keine Spur von Urgebirge
gefunden. – Das Hauptgebäude derselben be-
steht bis dahin aus sogenannten Uebergangs-
gebirgsarten:
Grauwacke, Thonschiefer, Kalk-
stein, mit mancherley untergeordneten Lagern. –
An manchen Stellen glaubte er sich aus dieser
Rücksicht in die Harzgebirge versetzt. – Aber
zwey große Eigenthümlichkeiten zeichnen jenes
Uebergangsgebirge der Apenninen aus. Erstens
ein großer Reichthum an Serpentin und dem
crystallinischen Gemenge von Diallag und Saußü-
[Seite 234] rit, welchem Herr von Buch den Namen Gabbro
beygelegt hat, und welches sich in den Serpen-
tin verläuft. Also das auffallende Phänomen,
daß diese Gebirgsarten, die in andern Gegenden
im Urgebirge liegen, hier unläugbar dem secun-
dären
angehören. – Zweytens halten die
Apenninen im Uebergangsgebirge die größ-
ten Marmormassen, welche vielleicht existi-
ren. Denn – der schöne schuppigkörnige Kalk-
stein, der berühmte Marmor von Carrara,
der in einer ganzen ausgedehnten Gebirgsmasse
hoch sich erhebt, ist kein Urkalkstein,
sondern ein Uebergangs-Kalkstein, gleich-
zeitig mit Grauwacke, gleichzeitige mit dem dichten
Kalkstein der Alpen und unsers Oberharzes. Er
ist von ungeheuern Massen einer seltsamen Kalk-
breccie vergesellschaftet, worin die Brüche des schö-
nen Marmors von Serravezza liegen, der dem
Breccienartigen Kalkstein der Tarantaise, die Herr
Brochant so treu beschrieben, analog ist. Sie ge-
het allmählich in gemeinen dichten Kalkstein und
dieser in den schönsten salinischen Marmor über;
so wie auch dichter Kalkstein mitten in dem letztern
vorkommt.

Ein für die Geologie überaus lehrreiches Gegen-
stück zu dem, was der Herr Professor früher am
Marmor von Giellebeck in Norwegen, als welcher
auch zum Uebergangsgebirge gehört, beobachtet
hat. (– Reise durch Scandinavien 1ster
Th. S. 325 u.f. –)



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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