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Göttingische
gelehrte Anzeigen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band
auf das Jahr 1813.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Göttingen.

[Seite 1265]

Die von der königl. Societät der Wissenschaften
schon für den vorjährigen November aufgegebene
so genannte öconomische Preisfrage betraf die
Verhütung oder Verminderung der Nachtheile,
welche nach Aufhebung der Zünfte oder Gilden
entstehen können.

Ungeachtet damahls fünf Schriften zur Beant-
wortung eingegangen waren (– noch eine unge-
rechnet, deren Verfasser sich selbst genannt hatte,
folglich gar nicht concurriren konnte-), so fand
sich doch die Societät aus mehreren Ursachen be-
wogen, diese Frage noch bis zum Julius dieses
Jahres offen zu lassen, und hat auch das Ver-
gnügen gehabt, seitdem noch vier andere Schrif-
ten zu erhalten.

Die Devisen jener fünf erstern sind in diesen
Blättern vom vorigen Jahre S. 1995 angezeigt
worden, damit ihre Verfasser von dem richtigen
[Seite 1266] Eingang ihrer Abhandlungen vergewissert seyn
möchten. Aus gleichem Grunde setzen wir jetzt
auch die der vier neuern her:

VI. El hirfeth emann – minel – Sahr.
Arbeit, Kunst, Industrie, schützen gegen
Armuth.

VII. Echter patriotischer Sinn und wahrer
Ernst, das Wohl Anderer zu besorgen, läßt
auch große Hindernisse besiegen.

VIII. Sirach Kap. 33. V. 4. und

IX. Omnia probate, quod bonum est tenete.

Aber bey allem dem sieht sich die königl. Socie-
tät auch jetzt noch außer Stande, irgend einer von
diesen eingegangenen Schriften den Preis zu er-
theilen; da keine von allen neunen den Gegen-
stand der Frage so behandelt, wie es seine Wich-
tigkeit erfordert, und die Societät es erwarten
konnte.

In mancher scheint die Frage selbst nicht ein-
mahl gefaßt zu seyn, als welche gar nicht weder
die Fortdauer, noch die Aufhebung der Zünfte an
sich betrifft, sondern ausdrücklich die letztere als
ein Factum voraussetzt, und nur durchdachte, aus-
führbare und, wo möglich, durch die Erfahrung in
Staaten, wo früher schon Gewerbfreyheit Statt
fand, bewährte Mittel fordert, wie den etwa da-
mit verbundenen Nachtheilen vorzubauen oder ab-
zuhelfen seyn möchte. Folglich kann gar die Rede
nicht von Vorschlägen seyn, die Zunftverfassung
etwa unter einer andern Form wieder einzufüh-
ren, indem etwa der Staat selbst die Verwaltung
derselben besorgen solle etc.; sondern die den Ge-
[Seite 1267] werbsleuten durch die Aufhebung der Zunftverfas-
sung verliehene Freyheit ward ausdrücklich vor-
ausgesetzt, ohne daß sie unter einem andern Nah-
men wieder beschränkt werden sollte.

Andere der eingesandten Schriften beschäftigen
sich bloß mit vorübergehenden Folgen der Auf-
hebung der Zunftverfassung.

Eine (Nr. VI. mit dem Motto aus dem Koran)
dringt zwar richtiger und tiefer in den Geist der
Aufgabe. Nur ist sie mehr bloßer Entwurf, als
Ausführung.

Dieses alles, und mehrere andere Gründe, ha-
ben die königl. Societät bewogen, nicht nur die
Frage noch einmahl, und zwar für den Julius
des nächstkommenden Jahres,
aufzugeben, son-
dern auch den dafür bestimmten Preis zu ver-
doppeln;
dergestalt daß, falls Eine genügende
und alle andere überwiegende Schrift einkommt,
der Verfasser derselben den doppelten Preis, also
278 Francs (den Werth von 24 Ducaten) erhal-
ten soll. Falls hingegen zwey gleich gute ein-
laufen, jede derselben mit dem sonstigen einfachen
Preis von 139 Francs (oder 12 Ducaten) hono-
rirt werden wird.

Wir setzen demnach erst die Aufgabe wieder so
her, wie sie nun schon zu wiederhohlten Mahlen
bekannt gemacht worden (– s. Gött. gel. Anz.
1810 S. 1880, 1811 S. 1868, 1812 S. 1246
und 2005 –), wollen ihr aber dann, außer den
schon berührten, noch einige andere nähere Be-
stimmungen hinzufügen.

[Seite 1268]

Wie können die Nachtheile, welche nach
Aufhebung der Zünfte oder Gilden ent-
stehen, verhütet oder vermindert werden?

Dahin gehört unter andern die Anhäu-
fung ungeschickter Meister, welche den
geschickteren den Verdienst rauben, und
sie verdrängen;

die Belästigung der Armencassen durch
die stets wachsende Zahl verarmter Hand-
werker und ihrer Familien, auch durch
die wandernden Gesellen;

ferner der Mangel der Sittenaufsicht
über Meister, Gesellen und Lehrlinge,
welche bisher die Gilden geführt haben.

Versteht sich, daß die hier genannten Nachtheile
nur beyspielsweise angeführt sind, und man die
Prüfung derselben allgemeiner zu nehmen, und
zu beachten hat, ob sie vorübergehender oder blei-
bender Natur sind, und ob deren Hinwegräumung
durch gewisse Mittel nicht andere und größere
Nachtheile herbeyführen könnte.

Besonders aber empfiehlt die Societät, daß
man bey der Angabe dieser Mittel auf das, was
eine längere Erfahrung in England und Holland,
eine kürzere in Frankreich, gelehrt hat, Rücksicht
nehme; und daß die verschiedenen Arten der Ge-
werbe, und das verschiedene Local, wo sie getrie-
ben werden (– große, kleine, mittlere Orte, Städ-
te oder plattes Land etc. –), bey der Beantwortung
nicht aus der Acht gelassen werden mögen.

Der gesetzliche Termin, vor dessen Ablauf die
zur Concurrenz für diese, so wie überhaupt für jede
[Seite 1269] Juliusaufgabe der königl. Societät, bestimmten
Schriften postfrey eingesandt seyn müssen, ist das
Ende des Mayes.


Für den November des laufenden Jahres
bleibt die schon dafür aufgegebene Frage:

Welches sind die sichersten Mittel, den Küb-
samen
(Brassica napus silvestris und Brassica
campestris
) auf den Aeckern wider die
schädlichen Insecten zu sichern?

(– s. Gött. gel. Anz. 1809 S. 1807, 1810 S.
1122, 1811 S. 1868, 1812 S. 1246 u. 2005 –).

Für den November 1814:

Da die geringen Linnen, welche aus Nieder-
sachsen auswärts hauptsächlich doch nur in den
Handel kommen, schon seit vielen Jahren in
einem so niedrigen Preise gestanden haben,
so wünscht man eine, so viel möglich, auf
Erfahrung gegründete Untersuchung, was
der Producent der ersten Materie, der Ver-
arbeiter jeder Art, und der Kaufmann
daran wirklich verdient haben, um dar-
nach beurtheilen zu können, ob dieser
Zweig der National-Production mit wah-
rem Vortheile für die Nation verbunden,
oder nur ein Mittel geworden ist, eine
gewisse Summe Geldes aus dem Auslande
zu ziehen.

Dieser Untersuchung bittet man die Betrach-
tung
hinzu zu fügen, was in dem Falle, da
der auswärts gehende Linnenhandel auf-
hören müßte, die daraus entstehende Ver-
[Seite 1270] minderung des Flachsbaues und der Flachs-
arbeit aller Art für den Ackerbau und die
ländliche Industrie für Folgen haben wür-
de, und wie diese Lücken am zweckmäßig-
sten wieder auszufüllen wären.

(– s. Gott. gel. Anz. 1811 S. 1868, 1812 S.
1246 und 2006 –).

Und für den Julius 1815:

Welches sind in gebirgigen Gegenden die
zweckmäßigsten Vorrichtungen, das Ab-
fließen der Aecker bey Regengüssen zu ver-
hüten, ohne in den Grabenbetten, bey star-
kem Falle der Graben, das Ausreißen des
Bodens zu sehr zu befördern?

(– s. Gel. Anz. 1812 S. 1247 und 2006 –).

Der auf jede dieser Preisfragen ausgesetzte Preis
ist von 139 Francs (12 Ducaten).

Die Concurrenz-Schriften für die Juliusauf-
gaben müssen, wie schon oben erwähnt worden,
vor Ablauf des Mayes, und die für den Novem-
ber vor Ende des Septembers jedes Jahres
postfrey enigesandt seyn.

(– Wegen der Hauptpreise auf den November dieses
und der beiden nächstfolgenden Jahre verweisen
wir auf diese Gel. Anz. 1812 S. 2001 u.f. –)



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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