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Göttingische
gelehrte Anzeigen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1803.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Göttingen.

[Seite 601]

Hr. Dr. Albers in Bremen hat der königl. Ge-
sellschaft der Wissenschaften merkwürdige zootomische
Bemerkungen über das Wallroß und den Braun-
fisch (Delphinus phocaena) zugeschickt, welchen
zugleich die Belege in Präparaten und überaus sau-
bern Zeichnungen beygefügt waren. Ohne die letz-
tern läßt sich hier nur Weniges ausheben. –
Die Bemerkungen über das Wallroß, dieses, sei-
nem inneren Baue nach noch so wenig gekannte,
Seeungeheuer, betreffen vorzüglich die Sinnwerk-
zeuge desselben. Im Auge fand der Hr. Doctor
den Bau der Sclerotica in Rücksicht der abwechseln-
den Stärke oder nachgiebigen Geschmeidigkeit in
ihren verschiedenen Zonen eben so, wie er ehedem
von einem andern Beobachter im siebenten Bande
der Commentationen an einem andern warmblüti-
gen Amphibium, nähmlich an einem Grönländischen
Seehunde, beschrieben und abgebildet worden.
Beyläufig hebt er Satz für Satz die Zweifel, wel-
che neuerlich gegen den in jener Abhandlung an-
[Seite 602] gegebenen Zweck dieser Einrichtung erregt worden;
nähmlich daß sich etwas Aehnliches auch bey Land-
thieren, dem Pferde etc. finde. (– Daß das Auge
des Menschen und vieler andern Thiere ein Ver-
mögen besitzen müsse, sich nach der verschiedenen
Entfernung der Gegenstände zu accommodiren, die
respective Lage mancher in seiner Axe liegenden
inneren Theile zu diesem Behuf nach Erforderniß
zu ändern etc. darüber waren die Physiologen längst
einverstanden; die Frage betraf nur das quo-
modo:
und diese zu beantworten, fiel der Ver-
fasser jenes Aufsatzes darauf, das beträchtlich
große Auge eines solchen Säugethiers zu unter-
suchen, das abwechselnd, nicht bloß in verschiede-
nen Entfernungen, sondern sogar durch zweyerley
Medium von so verschiedener Dichtigkeit sehen muß,
als Luft und Wasser ist; und da fand sich dann
am Seehundauge unverkennbar, daß das bey ihm
unter jenen Umständen in vorzüglicher Stärke er-
forderliche Vermögen, seine Axe zu verlängern oder
zu verkürzen, in der Wirkung der mächtig starken
Augenmuskeln auf die derselben so genau entspre-
chende Nachgiebigkeit der Sclerotica seinen Grund
habe: eine Bemerkung, die nun durch Hrn. Dr.
A’s. Untersuchung an einem analogen Amphibium,
dem Wallroß, vollkommen bestätigt wird, die aber
auch zugleich über die analoge Function im Auge
vieler Landthiere Aufschluß gibt, bey welchen nur
jener Bau der Sclerotica nicht so auffallend stark
ausgebildet ist, da sie nur durch einerley Me-
dium sehen, mithin keiner so sehr beträchtlichen
Veränderungen ihres Augapfels, als die genann-
ten warmblütigen Amphibien, bedürfen. –) Die
Geruchsorgane des Wallrosses sind von ausneh-
[Seite 603] mendem Umfange; zumahl die untern Muschelbeine
aufs vielfachste gewunden. Sein Zungenbein ist
gar sonderbar aus neun ansehnlichen Knochen zu-
sammengesetzt. Die hornartigen Bartborsten sind
mit Nervenfäden vom zweyten Ast des fünften
Paares versehen, daher sie auch Hr. A. für Werk-
zeuge des Gefühls zu halten geneigt ist.

Braunfische waren schon öfter zergliedert, und
ihr innerer Bau beschrieben; und doch hat der
Hr. Dr. auch hier noch beträchtliche Nachlese nach
den Arbeiten seiner Vorgänger, Tyson’s, J. Hun-
ter’s u.A. gehalten. Nahmentlich liefert er treff-
liche Bemerkungen über das Auge und das Zun-
genbein dieses Cetacei; besonders aber über den
wunderbaren Kehlkopf und den vierfachen Magen
desselben. Jener zeichnet sich am auffallendsten
durch die große bewegliche Knorpelröhre aus, die
statt des Kehldeckels über der Stimmritze empor-
ragt (wenn wir anders die glottis eines stummen
Thiers Stimmritze nennen dürfen), und verhütet,
daß beym Schlucken des Thiers kein Wasser in seine
Luftröhre dringe. Bey diesem Individuum war
Herzbeutel, Brustfell und die daran stoßende Ober-
fläche des Zwerchfelles allenthalben mit scirrhosen
Drüsen besetzt, deren mehrere zusammen ein trau-
benartiges Ansehen hatten. Auch die Substanz
der Lungen stellte eine Masse fast steinartig ver-
härteter Drüsen vor. – Die vier Mägen unter-
scheiden sich durch ihre äussere Form sowohl, als
durch die Farbe und Beschaffenheit ihrer Häute,
sind auch durch engere Mündungen von ein-
ander abgesondert. Der erste zeichnet sich am
auffallendsten von den übrigen durch seine Größe
und sackförmige Bildung aus; der zweyte hat eine
besonders merkwürdige, wie aus lauter Drüsen
[Seite 604] zusammengesetzte, Haut, die Hr. Dr. A. mit dem
corpus Peyerianum am Vogelmagen vergleicht.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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