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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1800.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Göttingen.

[Seite 673]

Der königl. Societät der Wissenschaften wurden
bey ihrer Versammlung am 5. April zwey Aufsätze
vorgelegt, die von zweyen ihrer Correspondenten,
dem Hrn. Prof. Roose zu Braunschweig, und Hrn.
Dr. Gyarmathi zu Clausenburg, eingeschickt worden.

Der vom Hrn. Prof. Roose betraf die gelben
Körper im weiblichen Eyerstocke, und nahmentlich
die für die Physiologie und gerichtliche Arzneykunde
gleich wichtige Frage über die Gelegenheitsursache
zu Entstehung derselben. Er erklärt sich sowohl
gegen die vom Hrn. v. Haller, und neuerlich noch
von Hrn. Haighton, angenommene Meinung, als
ob diese corpora lutea untrügliche Merkmahle einer
wirklich vorhergegangenen Empfängniß und Be-
fruchtung seyen; als auch gegen der Herren Ber-
trandi und Brugnone Behauptung, daß man die-
selben bloß als Zeichen der Reife und der Fort-
pflanzungsfähigkeit des weiblichen Geschlechts an-
[Seite 674] zusehen habe; und findet es dagegen in hohem
Grade wahrscheinlich, daß dieselben auch ohne
Befruchtung schon durch Einwirkung der Phantasie
und durch örtliche Reitzung der weiblichen Ge-
schlechtswerkzeuge gebildet werden können. Zu
den Gründen, die dieß wahrscheinlich machen,
rechnet er 1) die analoge eigenthümliche Thätig-
keit der männlichen Geschlechts-Organe, wodurch
z.B. ebenfalls ausser der Begattung unwillkühr-
liche Samenergießungen veranlaßt werden; 2) die
auffallenden Veränderungen, die sich zur Brunst-
zeit vieler weiblichen Thiere an ihren äusseren Ge-
schlechts-Organen äussern; und 3) daß es, zu-
mahl durch die trefflichen Haightonischeon Versuche,
erwiesen sey, daß die Eyerstöcke weiblicher Säuge-
thiere auch vom bloßen Reitz der Schwängerung,
wenn gleich ohne Berührung vom Samen oder
Samenduft, afficirt, und zur Bildung eines gelben
Körpers gebracht werden können.


Der Aufsatz des Hrn. Dr. Gyarmathi enthält
genaue Bemerkungen über die sonderbaren (zuerst
vom Hrn. v. Born und neuerlich vom Hrn. Assessor
Esmark beschriebenen) thonigen Sandsteinkugeln,
die sich in Siebenbürgen von Ajton bis Felek ins
Clausenburger Gebiet – also durch eine Strecke
von 2 bis 3 Meilen – in zahlloser Menge und
verschiedener Größe, von 2 Zoll bis 8 Fuß Durch-
messer, finden. Manche sind zum Bewundern
kugelrund; andere mehr oder weniger plattgedruckt.
In den größten findet sich oft ein thoniger Kern
oder auch statt dessen eine Höhlung. Durch Ver-
witterung spalten die größten Kugeln zumahl aber
die zusammengedruckten Sphäroiden, häufig in 4
bis 8 Zoll starke, gleichsam dickschieferige, Plat-
ten. Durchs Feuer aber (wie z.B. bey dem letz-
[Seite 675] ten großen Brande zu Clausenburg) lösen sie sich
in concentrische Schalen. Viele sind wie mit
einem zapfenförmigen Ansatz versehen. Auch oft
mehrere (bis 8) gleichsam zusammen gewachsen.
Alles stimmt nach den Beobachtungen des Hrn.
Doctors für die ursprüngliche Kugelform dieses
Fossils, und widerspricht hingegen der Meinung
des Hrn. v. Born, als ob dieselbe durch zufäl-
lige Abrollung entstanden sey.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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