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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1798.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Leipzig.

[Seite 781]

Beobachtungen und Wahrheiten, nebst eini-
gen Lehrsätzen, die einen hohen Grad von Wahr-
scheinlichkeit erhalten haben; als Stoff zur künf-
tigen Entwerfung einer Theorie der Erde, von
D. Joh. Reinhold Forster. 85 Seiten in Octav.
Als der Verf. auf seiner Reise um die Welt nach
der mühseligen, aber lehrreichen, Fahrt, wodurch
die große Frage von der Existenz eines südlichen
[Seite 782] festen Landes verneinend entschieden war, vor
nunmehr 23 Jahren ans Vorgebirge der guten
Hoffnung zurück kam, und sich daselbst bey der
Ausarbeitung seiner Observations mit den Folge-
rungen beschäftigte, die aus jenem, für die Geo-
logie so wichtigen, Datum fließen, so ward er
durch die vergleichende Übersicht der südlichsten
Küstenländer in den verschiedenen Welttheilen,
die an den antarctischen Ocean stoßen, auf die
auffallende Bemerkung geführt, die er in dem ge-
dachten reichhaltigen Werke bekannt gemacht hat,
daß überhaupt alle große Südspitzen unsers Erd-
bodens den allgemeinen Charakter haben, daß sie
in ansehnlicher Höhe über die Meeresfläche sich
erheben; daß sie felsicht sind, und aus Vorgebir-
gen bestehen; daß ostwärts von diesen Landspitzen,
in einer etwas nach Norden gehenden Richtung,
allemahl eine oder mehrere Inseln gelegen sind;
und daß westwärts an den nach Norden zu lau-
fenden Küsten das Land einen ansehnlichen Busen
einschließt. Da diese merkwürdige Übereinstim-
mung auf die natürliche Vermuthung leitet, daß
dieselbe mit der großen Catastrophe zusammenhän-
gen müsse, wodurch die Rinde unsers Planeten
ihre jetzige Gestalt erhalten, so hat der Verfasser
diesen großen Gegenstand seitdem immer weiter
verfolgt, und hält sich, nach sorgfältiger Ver-
gleichung mit andern geologischen Phänomenen,
z.B. mit dem überwiegenden Verhältnisse des fe-
sten Landes auf der nordlichen Hemisphäre, mit
den Eigenheiten der größten Meerbusen und Meer-
engen, so wie der correspondirenden Gestalt und
Richtung der größten Gebirgsketten auf unserer
Erde, besonders aber auch der sehr entscheiden-
den geologischen Beweise, die das critische Petre-
[Seite 783] factenstudium liefert, von der großen Wahrschein-
lichkeit des wichtigen Resultats überzeugt, daß
einst eine allgemeine, von Südwest nach Nordost
gehende, Fluth alle die merkwürdigen Spuren
einer höchst wichtigen Veränderung unsers Erd-
balles, und seine jetzige Begrenzung durchs Meer,
und den Zustand seiner jetzigen Oberfläche, ver-
ursacht habe.

Wenn man bey Lesung dieser überaus in-
teressanten Schrift eine Weltkarte vor Augen
hat, so wird es auffallend, wie viele hier so
genau verzeichnete Data zu Gunsten dieses Re-
sultats zusammentreffen. Dabey unterscheidet
aber der Verfasser immer mit großer Vorsicht das
unverkennbar Ausgemachte von dem bloß Wahr-
scheinlichen, womit er sich bey Erörterung der
Ursachen beschäftigt, wodurch jene so große Erd-
Revolution bewirkt worden seyn könne. Was
etwa z.B. die Annäherung eines Kometen, mehr
aber noch heftige Wirkungen von unterirdischem
Feuer in unserm Planeten selbst u.s.w., dazu
beygetragen haben könnten. – Unsere Anzeige
muß bloß beym Allgemeinen stehen bleiben. Der
größte Werth der reichhaltigen Schrift liegt aber
in der Ausführung, die überall den scharfsinni-
gen Naturkenner von großer, reifer Belesenheit
und von einer Erfahrung zeigt, die er in allen
fünf Welttheilen zu machen die seltene Gelegen-
heit gehabt hat.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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