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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1793.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Ebendaselbst.

[Seite 891]

In eben der Versammlung der königl. Soc. der
Wissenschaften am 18. May legte Hr. Hofr. Blu-
menbach
einige von dem berühmten Ungrischen
Arzte und Geschichtforscher Hrn. Dr. Weszpremi
zu Debreczin eingesandte handschriftliche Abhandlun-
gen vor.

I. Nämlich: Ueber die Ungrische Reichs-
krone,
die der Hr. Dr. bey Gelegenheit der Krö-
nung des K. Leopold a. 1790 näher zu untersuchen
Gelegenheit gehabt. Er widerlegt die bisher davon
gehegten Meynungen, und zeigt, daß sie aus
zweyerley, zu ganz verschiedenen Zeiten und Orten
verfertigten, Hauptstücken zusammengesetzt sey. Erst
war es nämlich eine offene Krone mit der Umschrift:
ὁ Αρχαγγελος Γαβριηλ, ὁ Δημητριος, ὁ Δα-
μιανος. Κωνςαντινος βασιλευς Ρωμαιων ὁ Πορ-
φυρογενητος. Μιχαηλ εν Χῶ πι
ςος βασιλ [...]υς Ρω-
μαιων Δ
[...]ϰας. Γεωβιτ [...] Δεσποτης πιςος ϰραλης
Τ
[...]ρϰιας. ὁ Κοσμας. ὁ Γεωργιος. ὁ Αρχαγγελος
Μιχαηλ.
Diese stammt aus Byzanz, und war ein
Geschenk des K. Michael Ducas und seines Sohnes
Constantins des Porphyrogeneten an den Ungrischen
K. Geisa II. als Michaels Neffen und Bundsge-
nossen gegen Michael von Servien. Folglich konnte
der über 100 Jahre vorher verstorbene K. Stephan
der Heilige nicht damit gekrönt seyn, sondern dessen
Krone ist schon zu Zeiten des Petrus Alemannus
nach Rom gekommen.

Der zweyte später hinzugefügte Haupttheil der
jetzigen Krone besteht aus vier nach oben zusammen-
gehenden Bogenstücken mit den Bildern der acht
[Seite 892] Apostel, Johannes, Bartholomäus, Jacobus, Tho-
mas, Petrus, Andreas, Paulus und Philippus,
deren Namen auf lateinisch und in gothischen Buch-
staben beygesetzt sind.

II. Ueber die Benennung der bekannten
Aqua reginae Hungariae. Nach vielem vergeb-
lichen Forschen hat Hr. Dr. W. herausgebracht,
daß es von der Gemahlin K. Carl Roberts, einer
polnischen Prinzessin und Mutter K. Ludwigs I., die
zu Ende des 14ten Jahrhunderts verstorben, den
Namen führt. Dem verdienten Hrn. Verf. scheint
unsers Hrn. Hofr. Beckmanns Untersuchung über
den Namensursprung des Ungarschen Wassers (in
dess. Beyträgen zur Geschichte der Erfindungen II. B.
3. St. S. 446. u.f.) unbekannt geblieben zu seyn.

Beyde Untersuchungen haben dem gelehrten Hrn.
Verf. Anlaß gegeben, mancherley bisher irrige oder
zweifelhafte Angaben in der Geschichte seines Vater-
landes aufzuklären und zu berichtigen.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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