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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1791.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Göttingen.

[Seite 1881]

In der Versammlung der königl. Societät der
Wiss am 21. Oct. legte Hr. Hofr. Blumenbach
derselben einen ihm zu dieser Absicht zugesandten Auf-
satz des Hrn. Leibmed. Marcard zu Oldenburg,
als auswärtigen Mitglieds der königl. Societät,
vor, über die Natur des inwendigen Ueberzugs der
Piscina mirabile und einiger andern alten Gebäude
in Italien. – Bekanntlich sind in jener so be-
rühmten bey Bajä gelegnen Cisterne, die 200 Fuß
in die Länge, 230 in die Breite hält, und 31 hoch
ist, sowohl die Seitenwände als die 48 Pilaster,
die ihr Gewölbe stützen, mit einem Ueberzuge be-
kleidet, über dessen Ursprung die Meinungen der
Kenner getheilt gewesen, ob er nämlich, wie Win-
kelmann u.a. behauptet, durch die Kunst als eine
Tünche aufgetragen, oder aber von Natur als ein
Kalksinter aus dem in der Cisterne gestandnen
[Seite 1882] Wasser abgesetzt worden, wie zumal Hr. Dr. An-
dria zu erweisen gesucht hat. Für beide Meinun-
gen ließen sich Gründe anführen, und selbst der
Umstand, daß der Ueberzug nicht bis an die Decke
reicht, sondern etwa 5 Palmen unterhalb desselben
gleichsam abscheidet, ist so gut für die eine als für
die andre gebraucht worden. Der Hr. Leibmed.
hat bey seinem Aufenthalt in Italien dieses be-
rühmte Denkmal des Alterthums genau untersucht,
mit andern antiken Gebäuden, deren Wände einen
ähnlichen Ueberzug haben, besonders mit einem
der drey sogenannten Tempel bey Bajä, und mit
einer Piscina unter den Ruinen der Villa des Ve-
rus, den Wasserfällen von Tivoli gegen über, ver-
glichen, und nun das Resultat seiner Untersuchun-
gen, nebst Proben des Ueberzugs aus diesen drey
Gebäuden, als Belege dazu, der königl. Societät
mitgetheilt. So verschieden das äußere Aussehen
des Ueberzugs in der piscina mirabile von dem in
der Villa des Varus zu seyn scheint, jener glatt
wie eine getünchte Wand, dieser hingegen rauh,
gleichsam grobkörnig wie berappt, so sind doch
beide wohl ohne Zweifel auf eineley Weise, näm-
lich durch Niederschlag aus dem Wasser, als na-
türliche Kalksinter, entstanden. Die scheinbare
Verschiedenheit, läßt sich nach aller Analogie aus
der ungleichen Beschaffenheit und Gehalt des kalk-
führenden Wassers, und aus der Art und den Um-
ständen, wie der Sinter daraus an die Wände ab-
gesetzt worden, erklären. Nur der Ueberzug im
Tempel bey Bajä scheint einen andern Ursprung
zu haben, da er auf dem Bruche nichts von den
Schichten eines natürlichen Rindensteins zeigt, und
auch im Scheidewasser ein Theil davon unaufgelöst
bleibt, der einer Puzzolane zu ähneln scheint.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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