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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1785.


Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Göttingen.

[Seite 465]

In der gedachten Versammlung der königl. So-
cietät am 12. Febr. zeigte der Hr. Prof. Blu-
menbach
einen Wassersalamander der größern
Art (Lacerta lacustris) vor, dem er, auf Veran-
lassung eines nur nicht genug bestimmten Versuches
des würdigen Hrn. Bonnet (oeuvr. d’hist. nat. T.
V. P. I. p.
355 u.f.) im May vorigen Jahres das
linke Auge exstirpirt hatte, und das nun jetzt eben
in voller Reproduction stand. Dreyen dieser Thiere,
welchen er um die gleiche Zeit den ganzen bulbus
beym Eintritt des Gesichtsnerven in die harte Haut
ausgenommen hatte, ward nichts einem wahren
Auge ähnliches wieder ersetzt: sondern aus dem Rest
des neruus opticus wuchs ein weißlicher, und wie
die nachherige Zergliederung lehrte, ganz dichter
Schwamm, der die Augenhöle füllte, wobey die
Thiere selbst aufschwollen und binnen einigen Mo-
[Seite 466] naten starben. In dem gedachten vierten Wasser-
salamander hingegen, hatte er erst die Hornhaut ge-
öffnet, bie Linse und die übrigen Feuchtigkeiten aus-
laufen lassen, und dann die zusammengefallnen
Häute bis auf ein kleines Stück davon, das er im
Hintergrunde am Augennerven sitzen lassen, ausge-
schnitten. Bey der genauen Untersuchung jenes aus-
geschnittnen größten Theils in reinem Wasser, fand
er, daß derselbe wenigstens 4/5 des ganzen Augapfels
betrug und den ganzen Augenstern und das ganze
Stralenband enthielt: so, daß folglich das Zurück-
gebliebne 1/5 nichts als den kleinen Rest der drey
großen gemeinschaftlichen Häute des bulbus aus-
machte. Die Augenhöle schien bey diesem Thier in
den nächsten Monaten von den Augenliedern wie
bedeckt: aber schon im November fingen diese an
sich wieder zu öffnen, und es zeigte sich dann an-
fangs ein milchblauer Körper, der nun mit Anfang
dieses Jahres immer deutlicher zu einem wahren neu-
reproducirten Auge ausgebildet ward. Noch ist es frey-
lich weit kleiner, als das andre natürliche: auch die
Hornhaut minder gewölbt und etwas trübe: aber man
kann sehr deutlich hinter derselben den neuergänzten
goldnen Augenstern und die Sehe darinn unterschei-
den. Wenn es zu seiner gehörigen Größe gelangt,
so gedenkt der Hr. Prof. dem Thiere dann das ge-
sunde Auge auszustechen, um zu erfahren, ob es
mit diesem neuerzeugten auch wirklich sehen kann.
Zugleich lies der Hr. Leibmed. Michaelis der
Societät eine Nachricht von der ihm gelungnen Ner-
venreproduction vorlegen, woraus wir das wesent-
lichste mit seinen eignen Worten mittheilen: ‘„Der
Hauptversuch war der: ich entblöste den neruus
phrenicus
eines Hundes, aus dem ich vor vier
Wochen ein einen starken Zoll langes Stück ausge-
schnitten hatte, und fand wie gewöhnlich eine den
übrigen Nerven völlig ähnliche, nur etwas dünnere
[Seite 467] regenerirte Substanz, und als ich den von allen an-
dern Theilen sorgfältig lospräparirten Nerven, über,
unter, oder an der regenerirten Stelle mit der Pin-
cette kniff, empfand der Hund nicht nur heftige
Schmerzen, sondern bekam auch die stärksten Con-
vulsionen des Zwerchfells.“’ ¬– So eben erhalten wir
eine besondre Schrift unter dem Titel: Ueber die Re-
generation der Nerven; ein Brief an Hrn. Pet.
Camper von Fr. Michaelis.
Cassel 1785. 19 S. in
Octav, worinn der Hr. Leibmed. den eben gedachten,
und mehrere änliche oder doch verwandte Versuche
umständlicher beschreibt.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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